Von: „Angelika Wilmen“ <wilmen@ippnw.de>
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Betreff: [Ippnw-deutschland] Ukraine-Friedenskonferenz am 15. und 16. Juni in der Schweiz: Ohne China, ohne Brasilien
liebe Freundinnen und Freunde,am Wochenende tagt in der Schweiz die Konferenz zum Frieden in der Ukraine. Nun hat neben China auch Brasilien seine Teilnahme abgesagt (siehe Bericht in der Berliner Zeitung).
China wirbt für einen eigenen 6-Punkte-Friedensplan https://www.reuters.com/world/china-pushes-rival-ukraine-peace-plan-before-swiss-summit-diplomats-say-2024-06-13/
Laut chinesischen Angaben haben innerhalb einer Woche 45 Länder positiv auf den Sechs-Punkte-Konsens reagiert.Weitere Informationen finden Sie im folgenden Artikel der Berliner Zeitung.Mit freundlichen Grüßen
Angelika Wilmen
Ohne China, ohne Brasilien
Schweizer Ukraine-Konferenz zeigt die Verschiebung globaler Machtbalance. Eine Analyse
Am Anfang war die Hoffnung: Die neutrale Schweiz lädt ein, und die ganze Welt kommt. Doch längst ist klar: Die „hochrangige Konferenz zum Frieden in der Ukraine“ am kommenden Wochenende in Bürgenstock bei Luzern hat einen Konstruktionsfehler. Nur eine der Kriegsparteien ist eingeladen. Russland, das den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, ist nicht gebeten. Das wiederum gefällt dem Globalen Süden nicht.
Inzwischen laviert der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis zu diesem Thema: „Wir waren stets offen dafür, Russland zur Konferenz einzuladen – doch Moskau hat mehrmals klargemacht, dass es kein Interesse an einer Teilnahme hat.“ Auch habe die Ukraine darauf beharrt, dass nur Länder teilnehmen, die das Existenzrecht der Ukraine gemäß dem Völkerrecht respektieren.
Weniger als 80 Teilnehmer
Zuletzt ist die Zahl der Teilnehmer auf unter 80 gesunken. Die Veranstaltung scheint kaum mehr als eine Unterstützerkonferenz des Westens und der westlichen Ukraine-Freunde. Genauer: Eine Konferenz der Europäer mit gebremster amerikanischer Unterstützung. Selbst US-Präsident Joe Biden bleibt dem Event fern. Er schickt seine Stellvertreterin Kamala Harris und Sicherheitsberater Jake Sullivan.
Biden war es wichtiger, in der Vorwoche auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron beim 70. Jahrestag des D-Day dabei zu sein. Ein Treffen, das CNN als „Ende einer amerikanischen Ära“ betitelte. Zum G7-Gipfel in Italien kommt Biden erneut nach Europa; am Wochenende fliegt er dann zu einer Gala nach Los Angeles, um Geld für seinen Wahlkampf zu sammeln.
Kein Zweifel: Es macht mehr Sinn denn je, über Frieden zu sprechen. Auch das Ziel der Konferenz ist konstruktiv. Es geht darum, einen „künftigen Friedensprozess anzuregen und praktische Elemente und Schritte in Richtung eines solchen Prozesses zu erarbeiten“, wie das schweizerische Außenministerium betont. Die eigentliche Idee war: Die Staatschefs reisen zum 50. Gipfel der führenden Industrieländer G7 nach Italien, danach geht es weiter zum Friedensgipfel in die Schweiz. Die teilnehmenden Staaten sollen Ideen und Vorstellungen für einen „gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine“ einbringen. Dennoch ist nicht sicher, ob sich die Schweiz mit der Initiative des ukrainischen Präsidenten einen Gefallen tut. In den Augen der Weltmehrheit ist die Konferenz eben nicht neutral. Aus Sicht des globalen Südens hat Bern sich auf eine Seite geschlagen und genau das preisgegeben, was die Schweiz unterscheidet: ihre Neutralität. Dazu passt, dass die Schweiz die EU-Sanktionen mitträgt, die von einer Mehrheit der Länder nicht unterstützt werden.
China – immerhin die einzige Großmacht, die von Kiew und von Moskau als Vermittler anerkannt wird – wird nicht vertreten sein. Die Begründung: Eine Friedenskonferenz, bei der nur eine Seite eingeladen ist, bringt nichts. Auch Südafrika, das politisch bedeutendste Land des Kontinents, schickt keinen Vertreter – obwohl der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa beim G7-Gipfel in Rom ist.
Besonders bedauerlich ist die Abwesenheit Brasiliens. Dabei kommt der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor der Ukraine-Konferenz nach Genf zu einem Treffen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO); auch er nimmt als Gast am italienischen G7-Gipfel teil.
Inzwischen haben Lula und der chinesische Präsident Xi Jinping sich von ihren engsten Beratern, Außenminister Wang Yi und dem brasilianischen Sicherheitsberater Celso Amorim, einen Sechs-Punkte-Konsens speziell für den Ukraine-Krieg erarbeiten lassen. Interessanterweise konterkariert er die Schweizer Friedenskonferenz.
Punkt 1 listet drei Maßnahmen zur Deeskalation: Keine geografische „Ausweitung der Schlachtfelder“, keine militärische „Ausweitung der Kämpfe“ und keine politischen „Provokationen einer der Parteien“. Punkt 2 bestimmt, dass Dialog und Verhandlungen die „einzige Lösung der Ukraine-Krise“ sind.
Dann kommt der Satz, der die Schweizer Konferenz kritisiert: „China und Brasilien unterstützen eine internationale Friedenskonferenz zu einem gegebenen Zeitpunkt, die sowohl von Russland als auch der Ukraine anerkannt wird, mit gleichberechtigter Teilnahme aller Parteien und fairen Diskussionen aller Friedenspläne.“ In Punkt 3 fordern beide Staaten mehr humanitäre Hilfe und die Vermeidung des Angriffs ziviler Ziele sowie, in den Punkten 4 und 5, die Absage an den Einsatz von Massenvernichtungswaffen und von Angriffen auf Atomanlagen.
Im abschließenden Punkt 6 wenden China und Brasilien sich gegen den Trend, die „Welt in isolierte politische oder ökonomische Gruppen aufzuteilen“. Womöglich ist das der Grund, warum sich die beiden Brics-Mitglieder gemeinsam zu Wort melden. Die größte südamerikanische Demokratie und das größte autoritäre Land Asiens zeigen jedenfalls Übereinstimmung.
Tenor: So geht es nicht
Auch das Nato-Mitglied Türkei unterstützt das von Brasilien und China vorgelegte Papier. „Wir sprechen mit Hochachtung davon“, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan auf einer Pressekonferenz mit Wang Yi am Dienstag. 45 Länder, so Wang, hätten positiv auf den Sechs-Punkte-Konsens reagiert. 26 hätten bereits angekündigt, sich anzuschließen oder das jedenfalls ernsthaft zu erwägen.
Immerhin kommen die Inder in die Schweiz, allerdings unterhalb der Ebene des Premier- oder Außenministers. Und sie kommen vor allem, um die dissidente Position der Brics darzulegen. Der Tenor: So, liebe Schweiz, geht es nicht. Alle müssen an einen Tisch. Dass der indische Premierminister Narendra Modi ebenfalls als Beobachter zum G7-Gipfel fliegt, aber in Bürgenstock nicht dabei sein wird, darf als unzweideutiges Statement gelesen werden.