Kapitulation oder nuklearer Winter

Posted on 26/11/2024
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  Kapitulation oder nuklearer Winter

  by Mathias Broeckers / 19 Comments	


Es sieht nicht gut aus in den unterirdischen Produktionsanlagen  der Juschmasch-Werke im ukrainischen Dnipro/Dnjepropetrowsk [1], nachdem der riesige Militärindustrie-Komplex – einst von Stalin “bombensicher” zu einem der größten Rüstungsbetriebe der Sowjetunion ausgebaut – am 21. November einen Besuch von “Oreschnik” erhalten hat. In meinem ersten Kommentar [2] dazu war davon die Rede, dass die neuartige russische Mittelstrecken-Rakete mit “Übungsmunition” ausgestattet gewesen sein soll, was aber eine Falschmeldung ist, die daher rührte, das auf den Videos der Einschläge keine größeren Explosionen zu hören oder zu sehen waren.

 Mittlerweile hat sich der Grund dafür heraus gestellt: die Rakete war nicht mit mit Explosiv-Sprengkörpern besetzt, sondern mit insgesamt 36 Stahlgeschossen, die mit einer Geschwindigkeit von 10.000 km/h einschlugen und dutzende Meter Beton durchdrungen haben. Auch wenn wir für die Herkunft des Fotos oben, das auf Telegramm kursiert,  nicht garantieren können – und wegen der totalen Nachrichtensperre der Ukraine über den Anschlag und die Folgen noch keine Bilder und Details bekannt geworden sind – würde es der Realität eines solchen Einschlags entsprechen, der nach Angaben von Bewohnern der Stadt noch in einem Kilometer Entfernung erdbebenartige Erschütterungen ausgelöst hat.

 “Oreschnik” (Haselnuss) wird so genannt, weil die hyperschnell auf das Ziel fallenden separaten Sprengköpfe wie die herabhängenden Blüten eines Nussbaums aussehen, und wie Fachleute – hier Larry Johnson [3], oder hier Scott Ritter und Prof. Ted Postol [4], MIT-Raketenexperte – klar machen, dieses neuartige System eine Waffe ist, die das Szenario des Kriegs schlagartig verändert, nicht nur in der Ukraine, sondern global.

 Zum einen, weil es die Zerstörungskraft einer Nuklear-Bombe hat, aber ohne Explosion, Feuersturm, radioaktive Verseuchung und nuklearen Winter [5], und zum anderen, weil die Salve dieser “Haselnüsse” von keinem existierenden Luftverteidigungssystem gestoppt werden kann. Weshalb Russland für den Präzisionsschlag auf die Juschmasch-Raketenfabrik sowohl den USA eine 30-minütige Vorwarnung zukommen lassen konnte – sowie danach die Botschaft Präsident Putins, dies auch bei künftigen Einsätzen der Waffe zu tun, um “Zivilisten befreundeter Länder” nicht zu gefährden.

Noch scheint der Westen in der allerersten Kübler-Ross-Nahtod-Stufe zu verharren, dem Leugnen und Nicht-Wahrhaben-Wollen des Sterbeprozesses: außer einem beliebigen Raketenangriff auf eine Rüstungsfabrik ist – wenn man der hiesigen Presse folgt – nichts weiter geschehen.

 Bei Militärs und Strategen jedoch muss diese Botschaft tiefe Schockwellen auslösen, scheint doch “Oreschnik” in der Lage, jede militärische Institution, Einrichtung, Ansammlung in Schutt und Staub zu zerlegen. Was das bedeutet, für den aktuellen Kampf in der Ukraine und die Kriegsführung im Allgemeinen, muss man erst mal sacken lassen: es mit einem Gegner zu tun zu haben, der morgen mein Hauptquartier, meinen Seehafen, Flugplatz und jeden anderen Stützpunkt zerstören kann.

 Für Dienstag 26.11. hat die NATO deshalb ihren “Ukraine Rat” zu einer Sondersitzung zusammen gerufen, bei der indessen wenig herauskommen wird, weil NATOstan – außer einem Atomschlag, der zu gegenseitiger globaler Vernichtung führt – einfach nichts zu bieten hat, was diese “Haselnüsse” knacken oder abwehren kann. Niemand weiß, wie viele dieser Raketen mit ihren “experimentellen” Sprengköpfen Russland aktuell in der Hinterhand hat, Scott Ritter vermutet mindestens zwei Dutzend, die jedes Ziel in Europa erreichen können. 

Und was diskutieren die Pudel Emanuel und Keir? Dass Frankreich und England jetzt Truppen in die Ukraine senden sollten! Ein klarer Fall von Nahtod-Stufe eins, des Verleugnens und Nicht-Wahr-Haben-Wollen des Untergangs. Ebenso wie die fortgesetzten Angriffe mit ATACMS und StormShadows auf russisches Gebiet.

 Sie wollen und können es einfach noch nicht wahrhaben, dass sie militärisch Schachmatt gesetzt sind – und transformieren in Stufe zwei: Wut, zorniges Herumschlagen. Aber das hilft nicht, wenn die Niederlage feststeht. Die USA und ihre europäischen Vasallen sind militärisch am Ende, ihre Proxy-Armee in der Ukraine ist nahezu aufgerieben, ebenso wie die Nachschubmöglichkeiten an Munition und Waffen, und der hypersonische Hammerschlag von “Oreschnik” zeigt, dass sie auch technologisch unterlegen sind.

 Insofern stellt “Oreschnik”, was militärische Macht betrifft, einen ähnlichen Paradigmenwechsel dar wie im August 1945 die USA-Atombombe auf Hiroshima, nur mit dem Unterschied, dass sich die Russen an zivilisatorische Konventionen gehalten und für ihre Machtdemonstration nicht Hunderttausende Zivilisten ermordet haben. Und es auch nicht tun müssen: geeignete militärische Ziele in der Ukraine und ganz Europa werden in den russischen Medien bereits rauf und runter diskutiert, einschließlich der Vorwarnzeiten, bis Warschau braucht die “Haselnuss” 9 Minuten, bis Berlin 11, bis Paris und London 17 Minuten.

Das war schon 2018 zu erkennen, als die neuen Waffensyssteme erstmals vorgestellt wurden und wir hier die Parole ausgaben “Don´t mess around with Ivan!” [6], aber die Ignoranz, Arroganz und Hybris des exzeptionalistischen Imperiums wollte es darauf ankommen lassen.

 Auf Trumps Kündigung des INF-Vertrags über die Begrenzung von Mittelstreckenraketen folgte nun pünktlich zu seinem zweiten Amtsantritt die Antwort: nicht-nuklear, aber von ungeheurer Zerstörungskraft. Und als eindeutige Botschaft, die nun in die Phase drei der NATO-Nahtod-Erfahrung führen wird: der Versuch des Verhandelns, des “Deals”, den der gewählte Oberdealer Trump bekanntlich “in 24 Stunden” bewerkstelligen wollte.

 Aber er hat nichts in der Hand, womit er drohen kann, sondern nur eine Wahl: Kapitulation oder nuklearer Winter.
Das wird schwer, doch dass der Plan gescheitert ist, Russland in der Ukraine eine strategische Niederlage beizubringen, wird auch jeden Tag offensichtlicher. Dass der von Trump nominierte Sicherheitsberater in Sachen Ukraine mit der Politik der Biden-Regierung “Hand in Hand” gehen will und sein neuer Bürochef tönt, dass man den bisherigen Support der Ukraine “wie peanuts” aussehen lassen wird, scheint indes nach mehr “Haselnüssen” geradezu zu betteln. Dass sie auch interkontinental fliegen und nuklear bestückt sein können, sollte diesen Wahnsinnigen dringend jemand flüstern.



1. https://bmanalysis.substack.com/p/oreshnik-enters-the-chat-i
2. https://www.broeckers.com/2024/11/22/atacms-gambit-und-oreschnik-matt/
3. https://www.youtube.com/watch?v=Q_c-eFG9UKM
4. https://www.youtube.com/watch?v=Ka2gVAdvWUE
5. https://www.youtube.com/watch?v=pXbu737DWMQ&t=58s
6. https://www.broeckers.com/2018/03/07/dont-mess-around-with-ivan/

Über admin

Hausarzt, i.R., seit 1976 im der Umweltorganisation BUND, schon lange in der Umweltwerkstatt, seit 1983 in der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW (www.ippnw.de und ippnw.org), seit 1995 im Friedenszentrum, seit 2000 in der Dachorganisation Friedensbündnis Braunschweig, und ich bin seit etwa 15 Jahren in der Linkspartei// Family doctor, retired, since 1976 in the environmental organization BUND, for a long time in the environmental workshop, since 1983 in the medical peace organization IPPNW (www.ippnw.de and ippnw.org), since 1995 in the peace center, since 2000 in the umbrella organization Friedensbündnis Braunschweig, and I am since about 15 years in the Left Party//
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