Zeitenwende 1999: Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien

Krieg gegen Jugoslawien, Sündenfall der Nato… https://wp.me/paI27O-5mH
Gesendet: Sonntag, 24. März 2024 um 21:31 Uhr
Von: „Joachim Guilliard“ <Joachim.Guilliard@t-online.de>

Auch wenn angesichts der laufende Kriege, kaum Zeit dafür ist, sollten wir die Erinnerung an frühere verbrecherische Überfälle nicht ganz vernachlässigen.

Sie liefern schließlich gute Argumente zu den aktuellen und gegen neue Kriege.

Beste Grüße,
Joachim

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Zeitenwende 1999: Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien
Ende der Entspannungspolitik in Europa ‒ Auftakt zu weiteren Kriegen

Vor 25 Jahren, am 24. März 1999, kehrte erstmals nach 1945 der Krieg nach Europa zurück. Der völkerrechtswidrige Angriff der NATO gegen Jugoslawien war auch der erste Krieg, an dem sich nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland direkt beteiligte.
Im April 1999 verabschiedete die NATO auch ein neues strategisches Konzept, das solche militärischen Interventionen ohne UN-Mandat zum festen Bestandteil machte. Und mit dem Beitritt der ersten drei osteuropäischen Staaten begann die Expansion des westlichen Militärbündnisses nach Osten und damit ein Ende des Konzepts einer „gemeinsamen Sicherheit in Europa“, von Rüstungskontrolle und Abrüstung.

Ab 24. März 1999 flogen Kampfflugzeuge der Kriegsallianz 78 Tage lang flächendeckende Luftangriffe auf Belgrad, Novi Sad, Nis und viele andere jugoslawische Städte und Dörfer. Die Bombardierungen richteten sich vorwiegend gegen die industrielle Infrastruktur des Landes, und zerstörten Fabriken, Kraftwerke, Brücken …  Ebenso getroffen wurden Wohnhäuser und Flüchtlingstrecks im Kosovo, sogar 110 Krankenhäuser wurden zerstört.

Durch die über 38 000 Bomben- und Raketeneinsätzenwurden nach offiziellen Angaben mindestens 2.500 Zivilisten getötet und 6.000 zum Teil schwer verwundet, darunter 2.600 Kinder.

Zu den größten Kriegsverbrechen zählte die gezielte Zerstörung von chemischen Produktionsanlagen und Raffinerien. Die tagelänge Brände verbreiteten in gewaltigen schwarzen Wolken gefährliche Umweltgifte über weite Gebiete und hunderttausenden von Menschen. Das deutsche Umweltbundesamt warnte bereits am 5. Mai 1999 vor den verheerenden Folgen: „Mit Sicherheit geht von den in Folge der Zerstörungen entstandenen Schadstoffgemischen eine weit über das Kriegsende hinausreichende Gefährdung der Menschen in den betroffenen Regionen aus.“ Auf nicht absehbare Zeit werde eine „zivile Nutzung weiter Teile dieser Regionen wegen der Gefährdung für die Gesundheit aus den Kontaminationen von Boden, Grund- und Oberflächenwasser nicht möglich sein.“

Ein weiterer schwerer Verstoß gegen internationales Recht war der Einsatz von Munition aus abgereichertem Uran. Der beim Einschlag durch Verbrennung entstehende hochgiftige und radioaktive Staub verseucht ebenfalls große Gebiete. Nach dem Krieg stiegen die Krebsraten in Serbien massiv an und sind heute fast dreimal so hoch wie im Rest der Welt.

Deutschland wieder im Krieg

Der 24. März 1999 markiert eine Zäsur. Der von den USA angeführte Krieg war der erste Krieg der NATO außerhalb eines Bündnisfalls und die Bundeswehr startete ihren ersten Kriegseinsatz. Während dabei Belgrad zum dritten Mal nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg von deutschen Streitkräften bombardiert wurde, feierte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die „Enttabuisierung des Militärischen“ in Deutschland, d.h. den Wiedereinstieg in den Kreis „normaler“ Militärmächte.

Völkerrechtswidriger Angriffskrieg

Da kein Angriff Jugoslawiens auf ein NATO-Land vorlag und auch kein Mandat des UNO-Sicherheitsrats einen Angriff legitimierte, war der Überfall der NATO auf das nahezu wehrlose Land eine eindeutige völkerrechtswidrige Aggression. „Ohne Sicherheitsratsbeschluss eine kriegerische Auseinandersetzung zu führen, war ein Verstoß gegen das Völkerrecht,“ gestand Gerhard Schröder 15 Jahre später selbst ein.

„Es begann mit einer Lüge“

Allen Beteiligten war die Völkerrechtswidrigkeit ihres Handelns voll bewusst. Gerechtfertigt wurde die Aggression daher, wie der spätere Irakkrieg, mit massiven Lügen: Die NATO müsse eingreifen, um die albanische Bevölkerung im Kosovo vor „ethnischen Säuberungen“ zu schützen oder gar einen Völkermord zu verhindern. Dem standen jedoch damals schon, für jeden einsehbar, die Berichte der OSZE-Beobachter entgegen, die den Waffenstillstand im Kosovo überwachten. Diese widerlegten eindeutig die Behauptung, Kosovoalbaner seien einer solchen Bedrohung ausgesetzt gewesen. Selbst das Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr meldete noch zwei Tage vor Beginn der Bombardierungen: „Tendenzen zu ethnischen Säuberungen sind weiterhin nicht zu erkennen.“

Widerlegt wurde bald auch der Großteil der übrigen Kriegspropaganda, mit der Stimmung für den Krieg gemacht wurde, wie das angebliche „Massaker von Racak“ oder die Geschichten des damaligen Militärministers Scharping über „Konzentrationslager“ und „Hufeisenplan“, Der WDR dokumentierte dies im Februar 2001 in der Doku „Es begann mit einer Lüge“.

Kein einziger der Verantwortlichen für diesen Krieg, wurde bis heute zur Rechenschaft gezogen, auch einzelne Kriegsverbrechen wurden nicht verfolgt ‒ weder vom UN-Kriegsverbrechertribunal noch später vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Die damalige Chefanklägerin Carla Del Ponte enthüllte 2021, dass sie Untersuchungen gegen die NATO aufgrund massiven Drucks rasch wieder einstellen musste. Strafanzeigen und zivile Klagen von Opfern wurden von nationalen Gerichten abgeschmettert.

Eine selbstkritische Aufarbeitung von Seiten der Grünen und der SPD blieb ebenfalls aus. Aus ihren Reihen hatten 1999 viele beteuert, den als „humanitäre Intervention“ bezeichneten Krieg nur mit „Bauchschmerzen“ unterstützt zu haben. Beide Parteien haben sich seither von ihren früheren friedenspolitischen Positionen völlig verabschiedet.

Kosovo-Sezession ‒ ein gefährlicher Präzedenzfall

Die Aggression endete am 10.6.1999 indem die jugoslawische Regierung der Erpressung der NATO weitgehend nachgab. Mit der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates wurde ein Waffenstillstand vereinbart und die Verwaltung des Kosovo vorübergehend der UNO übertragen. Gleichzeitig wurde aber auch die territoriale Integrität Jugoslawiens garantiert.

Die jugoslawische Armee und Polizei zogen sich zurück, und mit ihnen flohen 250 000 Serben, Roma und andere Nicht-Albaner vor der ultra-nationalistischen, terroristischen „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UCK) in andere Teile Serbiens.
2008 erklärte das kosovarische Parlament die unter Protektorat stehende Provinz einseitig für unabhängig. Obwohl dies klar gegen die völkerrechtlich verbindlichen Abmachungen und Garantien gemäß Resolution 1244 verstieß, erkannten die NATO-Staaten und ihre Verbündeten den Kosovo als neuen Staat an. Die meisten Länder des Südens verweigern dies.

Auftakt zu weiteren Kriegen

Der Krieg wurde zur Blaupause kommender. Während ihre Luftwaffen Angriffswellen gegen serbische Städte flogen, verabschiedete die NATO am 24. April 1999 auf ihrem Washingtoner Gipfel ein neues strategisches Konzept, in dem militärische Interventionen ohne UN-Mandat zum festen Bestandteil wurden. Es folgten die Kriege gegen Afghanistan, Irak und Libyen sowie die „Regime Change“- Intervention in Syrien.

… und Absage an Entspannung

Auf diesem Gipfel begann mit dem offiziellen Beitritt der ersten drei osteuropäischen Länder, Polen, Tschechien und Ungarn auch die Expansion der NATO Richtung Russland ‒ entgegen verbindlicher Zusagen gegenüber Moskau, die NATO würde sich „keinen Zoll nach Osten“ ausdehnen. Damit vollzog das Militärbündnis auf Drängen der USA die Abkehr von den, nach Ende des Kalten Krieges verfolgten Konzepten einer gemeinsamen Sicherheit in Europa, einer Ausweitung der Rüstungskontrolle und Abrüstungsschritten in Richtung struktureller Angriffsunfähigkeit.

Zahlreiche prominente Außenpolitiker haben eindringlich vor den Folgen dieser Expansion gewarnt. So nannte sie John F. Kennedys Verteidigungsminister, Robert McNamara, in einem von über 40 hochrangige Experten unterzeichneten Brief, einen „Fehler von historischem Ausmaß“, der „die Sicherheit unserer Alliierten gefährden und die Stabilität in Europa erschüttern könnte.“ Es bestehe „für die europäischen Nachbarn keine Bedrohung durch Russland.“

Und Jack Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau erläuterte 2014: „Wir wussten, wenn man ein Instrument des Kalten Krieges ‒ die NATO ‒ in dem Moment vorbewegt, wo die Barrieren fallen, schafft man neue Barrieren in Europa.“

Diese verhängnisvolle Politik, die letztlich im Krieg in der Ukraine mündete, muss beendet werden!

Wir müssen wieder zurück zu einer Politik der Entspannung, der gemeinsamen Sicherheit in Europa und der internationalen Zusammenarbeit ‒ zur Bewältigung der großen globalen Herausforderungen Frieden, Hunger, Klima- und Umweltschutz und gerechte Entwicklung!

Die NATO muss endlich genauso Geschichte werden, wie der Warschauer Pakt. Deutschland muss aus dem Militärbündnis austreten und die ausländischen Militärstützpunkte schließen!
Das Gedenken an verbrecherische Kriege und ihre Opfer muss dazu dienen, aktuelle zu beenden und neue zu verhindern!

_______________________________________________ Ak_S-N_intern Mailingliste Ak_S-N_intern@ippnw-lists.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/ak_s-n_intern

<Flyer 25JT NATO-Krieg gegen Jugoslawien- 24.3.2024.pdf>

Über admin

Hausarzt, i.R., seit 1976 im der Umweltorganisation BUND, schon lange in der Umweltwerkstatt, seit 1983 in der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW (www.ippnw.de und ippnw.org), seit 1995 im Friedenszentrum, seit 2000 in der Dachorganisation Friedensbündnis Braunschweig, und ich bin seit etwa 15 Jahren in der Linkspartei// Family doctor, retired, since 1976 in the environmental organization BUND, for a long time in the environmental workshop, since 1983 in the medical peace organization IPPNW (www.ippnw.de and ippnw.org), since 1995 in the peace center, since 2000 in the umbrella organization Friedensbündnis Braunschweig, and I am since about 15 years in the Left Party//
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