Was sind das wieder für kranke Ideen: Wie passt das zum Manifest von Russell und Einstein? Wie zu unseren vielen Krisen? Covid19, Klimakrise, wie zum den Friedenskrisen, wie zum der Reich/Armschere? Wo soll das Geld herkommen, um all das zu bezahlen, wenn nicht aus dem Militär?
Junge Welt am 26.5.21
Jörg Kronauer Manöver
Eiskaltes Vorrücken
Aufmarsch an Russlands Grenze: NATO-Staaten drängen verstärkt in die Arktis, eine Schlüsselrolle spielt Norwegen
Die Zeit der Manöverrekorde ist angebrochen. Im vergangenen Jahr war »Defender Europe 20« als größte Kriegsübung in Europa seit dem Ende des Kalten Kriegs angekündigt worden: An dem US-geführten Großmanöver wären insgesamt rund 38.000 Soldaten beteiligt gewesen, hätte nicht die Covid- 19-Pandemie den vorzeitigen Abbruch erzwungen. Aktuell nehmen rund 28.000 Militärs an »Defender-Europe 21« teil, dem ersten US-Großmanöver, in das alle Staaten Südosteuropas außer Serbien involviert sind. Für nächstes Jahr wiederum kündigt Norwegen das größte Manöver in der Arktis seit Beginn der 1990er Jahre an: »Cold Response 2022« soll bis zu 40.000 Soldaten im polaren Eis zusammenführen. Dabei haben die Rekordmanöver der westlichen Staaten vor allem eines gemeinsam: Sie richten sich unverhohlen gegen Russland – auch im Polarmeer.
Kollateralschaden
Dass die Großmächterivalität in zunehmendem Maß die Arktis erfasst, ist – wenn man so will – ein Kollateralschaden des Klimawandels. Der fällt in der nördlichen Polarregion erheblich krasser aus als anderswo: Eine kürzlich vorgelegte Untersuchung des Arctic Monitoring and Assessment Programme (AMAP) belegt, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur in der Arktis von 1971 bis 2019 um 3,1 Grad Celsius gestiegen ist, dreimal soviel wie im globalen Mittelwert. Dass der Rückgang des polaren Eises neue Seewege öffnet und den Zugriff auf neue Rohstofflager möglich macht, verschärft die Konkurrenz. Damit gewinnen alte, bis heute nicht gelöste Differenzen, wie weit die Hoheitsgewässer der einzelnen Anrainer in das Polarmeer hineinreichen, neue Bedeutung. Nicht zuletzt verschafft die Eisschmelze auch Streitkräften neue Spielräume und erweitert ihre Handlungsoptionen. So kommt es, dass nicht nur immer mehr Staaten eigene Arktisstrategien entwickeln und publizieren – Deutschland und Frankreich im Jahr 2019, Norwegen und Schweden 2020 –, sondern dass inzwischen auch Militärs einschlägige Strategiepapiere vorlegen.
Vorreiter sind dabei die Vereinigten Staaten. Zwar beschuldigt Washington regelmäßig Moskau, die Arktis offensiv zu militarisieren; doch handelt es sich bei den US-Vorwürfen, die mit der Realität nicht wirklich korrespondieren, wohl vor allem um den Versuch, das eigene, durchaus aggressive Vorgehen in der Polarregion zu legitimieren. Jeweils eigene Arktisstrategien haben inzwischen nicht nur das Pentagon, sondern auch einzelne US-Teilstreitkräfte – Marine, Luftwaffe, Marine Corps, Heer – vorgelegt. Das am 19. Januar verabschiedete Strategiepapier der US-Army trägt den programmatischen Titel: »Die Dominanz in der Arktis zurückgewinnen«. Dazu passt, dass die US-Streitkräfte ihre Kriegsübungen sowie ihre sonstigen Aktivitäten im und am Nordmeer deutlich ausgeweitet haben. Bereits im Oktober 2018 erregte es die Aufmerksamkeit von Experten weltweit, dass erstmals seit dem Ende des Kalten Kriegs ein US-Flugzeugträger mit den üblichen Begleitschiffen in arktischen Gewässern manövrierte – und das nicht etwa vor Alaska, sondern im Europäischen Nordmeer, von wo aus Angriffe auf Russland gestartet werden könnten. Zudem haben die USA am 16. April 2021 ein Abkommen mit Norwegen geschlossen, das ihnen die Errichtung eigener Anlagen auf vier norwegischen Militärstützpunkten erlaubt – darunter eine Marine- und eine Luftwaffenbasis in der norwegischen Arktis.
Offensive Operationen
Nicht nur Washington, auch die Bundesrepublik kooperiert militärisch immer enger mit Norwegen. Man müsse sich künftig »intensiver mit der Region befassen«, hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Sommer 2020 in einer online durchgeführten Konferenz am Joint Warfare Centre der NATO im norwegischen Stavanger erklärt. In der Einrichtung, die von Jan Christian Kaack geführt wird, einem Konteradmiral der deutschen Marine, sind ungefähr 40 deutsche Soldaten stationiert. Die Bundeswehr weitet längst ihre gemeinsamen Manöver mit den norwegischen Streitkräften aus. Anfang 2019 etwa probten deutsche Gebirgsjäger im norwegischen Norden den »Winterkampf«. Im März 2020 nahmen deutsche Soldaten an »Cold Response 2020« teil, einem Manöver mit rund 15.000 Soldaten aus neun Staaten, bei dem – auch dies im Norden Norwegens – nicht nur defensive, sondern auch offensive Operationen trainiert wurden.
Im kommenden Jahr dann »Cold Response 2022«, es soll in der Region Ofoten ganz im Norden des Landes stattfinden, dort, wo norwegische Truppen immer häufiger mit Einheiten anderer NATO-Staaten trainieren. Die Region ist, so berichten regionale Medien unter Berufung auf hochrangige Militärs, für die Vorbereitung des Westens auf einen etwaigen Krieg gegen Russland »von zentraler strategischer Bedeutung«: Sie ist kaum 600 Kilometer Luftlinie von der Halbinsel Kola entfernt, wo die russische Marine ihre Nordflotte mit ihren Atom-U-Booten unterhält.
Die nächsten Schritte werden voraussichtlich am 14. Juni diskutiert: Dann wird sich der NATO-Gipfel in Brüssel ausführlich mit dem künftigen Vorgehen des Kriegsbündnisses in der Arktis befassen.
Herzliche Grüße, Helmut