Angefangen beim Sparwahn über die Ablehnung konjunktureller Steuerungsaufgaben des Staates in der Wirtschaft bis hin zu Lohndumping und Deregulierung der Finanzmärkte ist fast jedes wirtschaftspolitische Handeln der letzten 25 Jahre, das in die Sackgassen der Gegenwart geführt hat, vom ökonomischen Mainstream “wissenschaftlich” untermauert worden. Gibt es einen ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Gegenentwurf, der auf die Marktwirtschaft setzt, oder muss die „Systemfrage“ gestellt werden?
Ja, diesen gibt es. Es gibt mehrere Ansätze, von Sarah Wagenknecht
http://www.sahra-wagenknecht.de/
bis zu verschiedenen Memoranden
http://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/veroeffentlichungen_der_arbeitsgruppe/memorandum_2014/index.html.
Der interessante Entwurf in diesem Vortrag ist von einer kleinen Arbeitsgruppe um Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker entworfen worden. Zuerst einmal die Fehler der heutigen gängigen „Volkswirtschaftslehre“ in Deutschland, die sich als Wissenschaft bezeichnet, aber in Wirklichkeit eine Ideologie darstellt.
Im Vordergrund stehen Glaubenssätze:
- die Groß- entspreche im Prinzip der Mikroökonomie
- ideal sei ein Wettbewerb: „jeder gegen jeden“
- der Markt irre nicht
- die Grenzproduktivitätstheorie bedeute, Mindestlohn sei Unsinn
- der Markt habe ein stabiles Gleichgewicht
- der Staat habe kaum Steuerungsaufgaben, er schade eher
- die Zentralbank steuere die Geldmenge und sei daher direkt zuständig für die Inflation
- man müsse erst sparen, dann investieren
All das habe sich empirisch als falsch erwiesen. Da es aber Glaubenssätze sind, sei der „Mainstream“ unbelehrbar. Z. B. würden wichtige Rückkoppelungseffekte nicht berücksichtigt: Lohn bedeute nicht nur Kosten, sondern gesamtwirtschaftlich auch einen Einkommensfaktor, der für den Umsatz entscheidend sei. (Es sei wie im Theater, wenn einer aufsteht, sieht er besser, aber wenn alle aufstehen, kriegen alle lahme Beine und sie sehen schlechter als wenn alle sitzen. So ist es auch, wenn einer spekuliert und absahnt, aber die Mehrheit hat einen Schaden. Deutschland habe mit dem Lohndumping angefangen, die anderen in Europa würden nur noch die Nachteile davon haben, da die Nachfrage einbreche und eine extreme Arbeitslosigkeit resultiere. Daher sei das, was der Einzelwirtschaft gut tun mag, gesamtwirtschaftlich von Nachteil.)
Dies gelte für Europa, aber auch weltweit. Für die Wirtschaft entscheidend seien strenge Rahmenbedingungen, die die Politik, z. B. die Europäische Kommission oder eine Institution des Europäischen Parlaments setzen müsse, z.B. Steuern auf Rohstoffe und fossile und nukleare „Brennstoffe“, um das Klima nicht zu warm werden zu lassen.
Und dafür seien internationale Absprachen unverzichtbar und ein übersteigertes Wettbewerbsdenken kontraproduktiv.
Die Zahlen der europäischen Wirtschaft, auch in Deutschland, seien erschreckend, die Investitionen viel zu gering. Dadurch würden die „Brigs“staaten an „uns“, das heißt die EU, auf die Dauer vorbeimarschieren.
Deutschland habe seine Arbeitslosigkeit „exportiert“ durch seinen hohen „Nettoexport“ gegenüber den anderen EU-Staaten, wobei es unverzichtbar sei, den Nettoexport auf +/- Null einzupendeln. Dafür könne man die „Warenkörbe“ verbindlich machen oder eine Regelung wie den Länderfinanzausgleich in Deutschland wählen, wo der Nettoexport der Bundesländer untereinander mit „Straf“-Zahlungen verbunden ist, z.B. Zahlungen von Bayern an Sachsen. Oder man könne schlicht den überschießenden Nettoexport an die EU-Kasse auszahlen.
Außerdem sei das „Finanzcasino“ dringend zu schließen.
Insgesamt sei eine wirkliche Wirtschaftswissenschaft unabdingbar, wo die Thesen an der Realität ständig überprüft werden.
Dann sei der Kapitalismus zu retten und er sei anderen Wirtschaftssystemen überlegen.
Zum Schluss noch ein Flyerentwurf…
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