http://helmutkaess.de/Wordpress/wp-content/uploads/2021/02/Offener-Brief-an-die-HBS-30.-Jan-21.doc
Hervorhebungen durch mich…
Wolfram Frommlet
Untere Breite Str. 43 D – 88212 Ravensburg
email wolfram.frommlet@t-online.de
Wikipedia Wolfram Frommlet
31. Jan 2021
Heinrich-Böll-Stiftung
Der Vorstand / Das Team
Barbara Unmüßig
Werte Freunde, Freundinnen der HBS
Offener Brief mit Bezug zum Positionspapier
„Transatlantisch? Traut Euch“
Unterzeichnet u.a. von Mitgliedern der
Hanns-Seidel-Stiftung
Aspen Institute
Atlantik-Brücke
Rainer Mayer zum Felde, Brigadegeneral a.D.
Heinrich Brauss, Generalleutnat a.D.
Dr Ellen Ueberschär, Heinrich-Böll-Stiftung
Da ich mich in meinem Offenen Brief vor allem auf Punkt 4 beziehe, möchte ich diesen Punkt im Wortlaut einbeziehen. Auch um in meinem Verteiler den Bezug zu ermöglichen.
Ein persönliche Vorbemerkung:
ich habe zur HBS – aufgrund meines Alters, 76 Jahre, eine sehr persönliche Beziehung: in den 70er Jahren arbeitete ich als Journalist bis 1978 beim WDR in Köln, nach einem Auslandsaufenthalt wieder von 1981 bis 1999 bei der DW.
In den 70ern hatte ich eine persönliche Verbindung zu Heinrich Böll über den SSK (gegründet als Sozialistische Selbsthilfe Köln, ab 1969 als Sozialpädagogische Sondermaßnahmen). Eine von konservativen Medien und politischen Kreisen verfolgte Institution, die Jugendlichen in schwierigsten Verhältnissen u.a. in einem besetzten Haus Unterstützung gab. 1974 war Heinrich Böll an der Gründung des Vereins „Helft dem SSK“ beteiligt, ein Jahr später kaufte er (aus den Geldern des Literatur-Nobelpreises) dem SSK das „Heinrich Böll Haus“ in der Overbeckstr. 40 – das er bis heute nutzt.
In Langenbroich durfte ich Heinrich und Annemarie Böll erleben, wie sie geflüchteten Schriftstellern „Asyl“ boten (wir hatten nach dem Putsch in Chile das Kölner Chile-Komitee gegründet, das Heinrich Böll kannte.)
In den 80ern war ich, mit seinem Cousin Clemens Böll und seinem Sohn Renée Böll an der Gründung der Böll Stiftung beteiligt (es gab damals noch die Frauen-Anstiftung und Buntstift).
Diese Vorbemerkungen sind mir deshalb wichtig, weil die HBS für mich die bedeutendste kulturelle und partei-nahe Stiftung war (im Gegensatz zu Ebert Stiftung, Seidel Stiftung, Adenauer Stiftung und Naumann Stiftung)
Nun aber, nach diesen langen Jahren, denke ich zum ersten Mal über einen Austritt nach, aufgrund des Politischen Papiers „Transatlantisch? Traut Euch“
Die HBS – und bislang auch die Grünen – standen für mich für Abrüstung, für die Friedensbewegung, für eine andere Nord-Süd-Politik und andere Projekte der Internationalen Zusammenarbeit in den Kontinenten des Südens.
Dieses Papier aber ist in Punkt 4 ein Plädoyer für Aufrüstung, insbesondere in Deutschland, für Atomwaffen und atomare Teilhabe“ (bislang eine Forderung alleine der „christlichen“ Verteidigungsministerin AKK) – 75 Jahre nach dem Wahnsinn von Hiroshima und Nagasaki und der Entwicklung hundertfach, teilweise tausendfach stärkerer Atomwaffen.
Dies wurde unterzeichnet von Dr Ellen Ueberschär, HBS
In Punkt 4 NATO werden, in alter Kalter-Kriegs-Manier, die Fakten verdreht und Russland Konfliktstrategie und wachsendes militärisches Potential unterstellt.
Die SIPRI Zahlen zu 2019:
* Rüstungsetat der USA + 5,3%, Etat 732 Mrd Dollar
* Rüstungsetat BRD + 10% und damit Weltspitze
Etat 49,3 Mrd Dollar
* Rüstungsetat NATO Etat 1.035 Mrd Dollar
* Rüstungsetat Russland Etat 64,1 Mrd Dollar
Nach Punkt 4 dieses Papers wird, was nicht explizit gesagt wird, damit der New Start Vertrag zu Atomwaffen mit Russland vermutlich abgelehnt und somit der INF-Vertrag beendet.
Mit keinem Wort wird erwähnt, dass zur NATO auch mehrere Staaten gehören, die nicht als Demokratien zu bezeichnen sind und von denen weder ich mich noch die gesamte Friedensbewegung in Europa verteidigen lassen möchte:
Türkei, Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien, Slowakei, Albanien – um sehr großzügig auszuwählen.
Dieses Papier plädiert für die weitere Stationierung von amerikanischen Atomwaffen in Deutschland. Dies ist eine Beleidung von Heinrich Böll.
Das Papier wurde u.a. unterzeichnet von zwei Generälen a.D,
von der Hanns-Seidel-Stiftung
Diese Stiftung machte die RENAMO aus Mocambique in Deutschland gesellschaftsfähig und wirkte als Verbindung für den BND u.a. in Mocambique und Unterstützung der Terrorbewegung in Zig-Millionen Höhe. Die RENAMO sollte die sozialistische Regierung stürzen, sie schlachtete etwa zwei Millionen Mocambiquaner ab
Das Papier wurde unterzeichnet von zwei Mitgliedern des Aspen Instituts.
Dies wurde 1974 gegründet vom CIA Direktor Shepard Stone, der, im Interesse der USA, auch in den Militärputsch in Indonesien involviert war – gegen die sozialistische Regierung Sukarno, in dem weit über 500.000 „Kommunisten“ ermordet wurden und der den Diktator Suharto an die Macht brachte – ein enger Verbündeter der USA und ein Freund von Helmut Kohl.
Alle Nachfolger von Shepard Stone waren Direktoren des CIA.
Ich bin gewiss erfreut über das offizielle Ende der Trump-Zeit (die Ursachen und die Folgen werden noch lange die USA zerreißen). Dennoch braucht es für eine transatlantische Beziehung der Bundesrepublik Deutschland mit den USA eine Anbiederung, die dem gesamten Papier inne ist, nicht.
Das erschreckende Resumée dieses Papiers ist: die wichtigste Institution der transatlantischen Partnerschaft ist die NATO!
Nicht Kultur, zivile Wissenschaften amerikanischer und europäischer Universitäten zur Lösung der dramatischen Klimaprobleme; nicht Modelle sozialer und ökologischer Gerechtigkeit, nicht der gemeinsame Kampf gegen die alles zerstörende Macht global aktiver Banken und Konzerne; nicht die gemeinsamen Werte von Aufklärung, Humanität – ja, Humanismus, Demokratie und Formen ziviler Selbstverwaltung und Gemeinwohl.
Das, was die Ziele der HBS ausmachte: ganz andere Formen und Modellen von Wachstum.
Nein, die wichtigste Institution transatlantischer Partnerschaft unter Joe Biden ist Rüstung, Aufrüstung, militärische Gewalt und auch militärische Interventionen, wofür nicht nur der Vietnam-Krieg eines der fürchterlichsten Beispiele ist, die mich, in den 68ern, geprägt haben.
Dies ist, sehr elegant im Papier formuliert, Kriegsrhetorik.
Eine letzte Frage:
Das Sicherheitsbündnis – also die NATO – ist, heißt es in diesem Papier, “der Glutkern” der transatlantischen Partnerschaft
Was ist ein “Glutkern”? Was für eine Sprache ist dies?
Ich ahne, was Heinrich Böll darauf geantwortet hätte.
Die gute Nachricht ist: der Offene Brief der Böll-Stipendiaten und Stipendiatinnen, die sich genau dagegen wehren.
Dass in dem gesamten Papier und die Unterzeichner amerikanischer Institutionen die USA nicht aufgefordert werden, die Revision in London gegen Julian Assange und damit jegliche Anklage endgültig aufzuheben, ist ein zusätzlich unerträglicher Aspekt.
Ich darf als Lektüre zur Außen- und Militärpolitik der USA zwei exzellente Bücher empfehlen:
Laurie Calhoun, We Kill Because We Can, From Soldiering to Assassination in the Drone Age. ZED Books, London.
William Blum, KILLING HOPE. U.S. Military and CIA Interventions Since World War II. Black Rose Books, New York / London
Und Noam Chomskis soeben auch in Deutsch erschienenes jüngstes Buch:
Rebellion oder Untergang. Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam. Westend Verlag.
Ob ich Mitglied in der HBS bleiben werde, hängt davon ab, wie auf die inzwischen ja zahlreichen Proteste in der Stiftung intern und nach außen reagiert werden wird.
Mit distanzierten Grüßen
Wolfram Frommlet
4. Nato: Mehr Verantwortung wagen
Das Sicherheitsbündnis ist der Glutkern der transatlantischen Partnerschaft. Deutschland und Europa können ihre Sicherheit und Verteidigung ohne die amerikanische Beistandsgarantie, wie sie in Artikel 5 des NATO-Vertrages verankert ist, nicht gewährleisten. Die Konfliktstrategie Russlands und sein wachsendes militärisches Potential verlangen amerikanisches Gegengewicht. Die USA haben im Zuge zweier Weltkriege gelernt, dass ihr elementares Interesse an einem stabilen, nicht von einer Macht dominierten Europa die militärische Präsenz auf dem Alten Kontinent erfordert – und dass Verbündete hilfreich sind, um die liberale internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Die Krise der vergangenen Jahre bestand vor allem darin, dass Zweifel wuchsen, ob die strategischen Grundannahmen über Wesen und Wert der Sicherheitspartnerschaft noch auf beiden Seiten des Atlantiks geteilt werden. Die Zweifel wurden nicht nur von der harschen Rhetorik und den Alleingängen von Präsident Trump genährt, sondern auch von deutschen Versäumnissen: dem Mangel an Verlässlichkeit (Abrücken von der 2%-Zusage), an strategischer Kohärenz (Nordstream 2) und an Initiative (Stabilisierung Mittelmeerraum).
Nun bietet sich Deutschland die Chance, gemeinsam mit Präsident Biden und den anderen Verbündeten die NATO als wichtigste Institution der transatlantischen Partnerschaft zukunftsfest zu machen. Das kann nur durch eine ambitionierte Neue Übereinkunft gelingen, die im Kern besagt: Die europäischen NATO-Staaten – mit Deutschland an erster Stelle – erhöhen ihre Fähigkeiten zur konventionellen Verteidigung erheblich. Dadurch entlasten sie die USA in Europa und erleichtern es ihnen, sich auf den Indo-Pazifik zu konzentrieren und dort die Interessen der liberalen Demokratien zu schützen. Im Gegenzug bekräftigen die USA ihr Bekenntnis zur Verteidigung des gemeinsamen Bündnisgebietes und untermauern es durch ihre nukleare Schutzzusage sowie ihre dauerhafte militärische Präsenz in Europa.
Dieser Neuen Übereinkunft muss eine wesentliche Erkenntnis zugrunde liegen: Gestärkte und geeinte europäische Bündnispartner sind im Gesamtinteresse der atlantischen Allianz. Das bedeutet auch, dass Europa deutlich stärker werden muss. Europa muss als Partner der USA und tragende Säule der transatlantischen Gemeinschaft handlungsfähig sein. Nicht um Amerika loszuwerden (wie es bei manchen in der Rede von „europäischer Souveränität“ und „strategischer Autonomie“ mitschwingt), sondern im Gegenteil, um Amerika grundsätzlich in Europa zu halten – mit allen Vorteilen, die das für die politische Statik des Kontinents und damit nicht zuletzt für Deutschland bringt.
Bei der Umsetzung dieser Neuen Übereinkunft kommt Deutschland die Schlüsselrolle zu. Aufgrund seiner Größe und Kraft blicken Verbündete, Partner und Gegner vor allem auf unser Land. Es ist Deutschland, das die wesentliche Kraftanstrengung zur besseren konventionellen Verteidigungsfähigkeit der NATO in Europa erbringen muss. Das erfordert für Deutschland die beschleunigte und vollständige Umsetzung der vereinbarten NATO-Streitkräfteziele. Das setzt die substantielle Erhöhung des Verteidigungshaushaltes voraus, die Modernisierung der Beschaffungsprozesse sowie die Bereitschaft, Deutschland bei der Rüstungszusammenarbeit für seine NATO-Partnern berechenbar zu machen. Vor allem erfordert das den Konsens innerhalb der Bundesregierung, dass eine einsatzbereite Bundeswehr von höchster Priorität ist, weil sie der Diplomatie Gewicht verleiht, einen unverzichtbaren Beitrag zur transatlantischen Glaubwürdigkeit, zur Abschreckungsleistung der NATO und damit zur Freiheit und Wahrung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands erbringt.
Dazu gehört auch, dass Deutschland an der Nuklearen Teilhabe festhalten und nötige Modernisierungsschritte umsetzen muss. Der nukleare Schutzschirm der USA ist für alle nicht-nuklearen NATO-Staaten in Europa unverzichtbar. Es sollte ihn geben, solange es Nuklearwaffen gibt und die Bedrohung anhält. Nukleare Teilhabe drückt die besondere Bereitschaft zur Risiko- und Lastenteilung und zu größter Solidarität unter Verbündeten aus. Sie ist ein Kernelement der strategischen Verbindung zwischen den transatlantischen Partnern, die mit der Neuen Übereinkunft unterstrichen wird.
Eine deutlich verbesserte militärische Handlungsfähigkeit allein genügt aber nicht. Notwendig ist eine politische Kraftanstrengung: Initiativen, mit denen Deutschland seinen Beitrag zur Lastenteilung erhöhen sollte.
Das betrifft vor allem die Peripherie von EU und NATO. Vom Hohen Norden über die Ostsee, Belarus und die Ukraine, den Westbalkan und den Kaukasus bis zum Mittelmeerraum des Nahen Ostens und Nordafrikas: Überall bestehen Krisen oder gar tatsächliche Konflikte, die durch größeres Engagement, gezielteres und besser abgestimmtes Vorgehen gemildert werden könnten. Mehr deutsche Kreativität und Führungsbereitschaft würden nicht nur zu einer weiteren Entlastung Amerikas beitragen, sondern Europa sicherer machen. Hier liegt auch erhebliches Potential für ein besseres Zusammenwirken der Instrumente von EU, NATO und der einzelnen Mitgliedstaaten.
Um die Nützlichkeit der Allianz für alle Mitgliedstaaten zu erhöhen, sollte Deutschland sich dafür einsetzen, die NATO nicht nur als militärisches, sondern auch als politisches Bündnis zu stärken. Zwei Vorschläge der Reflexionsgruppe zur „NATO 2030“ um Thomas de Maizière und Wess Mitchell sind dabei besonders hervorzuheben. Zum einen sollte Deutschland den NATO-Generalsekretär darin unterstützen, das Strategische Konzept von 2010, in dem von Russland nur als Partner und von China gar nicht die Rede ist, den neuen Gegebenheiten anzupassen. Und zum anderen sollte der Nordatlantikrat zum eigentlichen Ort der politischen und strategischen Debatte der transatlantischen Partner werden – über alle regionalen und globalen Entwicklungen, die ihre gemeinsame Sicherheit betreffen. Anstatt schwierige Themen auszusparen oder in ritualisierten Formen zu ersticken, sollte der Rat zu allen sicherheitsrelevanten Fragen den offenen, auch informellen Austausch suchen. Nur so lässt sich eine bündnisgemeinsame Linie schmieden, der die Nationen politische Verbindlichkeit beimessen.