gemeinsame Sicherheit… Arbeitspapier der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung https://wp.me/paI27O-37H
Sicherheit neu denken:
Sicherheitspolitik friedenslogisch gestalten“
Ergebnisse des Beteiligungsprozesses zur Bundestagswahl 2021
Arbeitspapier der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung / Februar 2021
Legitimes Streben nach Sicherheit sieht die eigene, nationale Sicherheit innerhalb des Zieles weltweiter menschlicher Sicherheit. Diese achtet das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Leben. Friedenslogische Sicherheitspolitik setzt daher auf Gewaltprävention und Konflikttransformation mit den in der UN-Charta vorgeschriebenen Mitteln der friedlichen Streitbeilegung. Sie investiert in großem Maßstab in deren Institutionalisierung, Weiterentwicklung und dauerhafte Anwendung. Unsere politische Verantwortung erfordert den frühzeitigen Einsatz aller bewährten zivilen Mittel zur Krisenprävention, statt spät und ineffektiv den lokalen Opfern noch Soldat*innen unserer Bundeswehr hinzuzufügen.
Die Erfahrungen mit Militäreinsätzen lehren, dass ein Streben nach militärischer Überlegenheit eher zu asymmetrischer Kriegsführung als zu Sicherheit und Frieden führt (Stichworte: Terrorismus, hybride Kriegsführung, Cyberangriffe). Die Politik Deutschlands sollte der Erfahrung Rechnung tragen, dass militärische Mittel und Zwangsmaßnahmen nachhaltige Krisen- und Konfliktbewältigung sowie Friedensförderung grundsätzlich erschweren. Sie verzögern den nötigen Aufbau stabiler staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen und eröffnen damit illegalen und gewaltbasierten Gruppierungen einen weiteren Handlungsraum.
Der Begriff Friedenslogik bezeichnet eine Methode des Denkens und ein an diesem Denken orientiertes politisches Programm, das im Rahmen der Plattform ZKB auf Basis der Erkenntnisse der Friedensforschung und der Erfahrungen der praktischen Friedensarbeit entwickelt wurde. Zentrale Prinzipien sind (1) Gewaltprävention, (2) Konflikttransformation, (3) Einhaltung universaler Normen, (4) Dialog- und Prozessorientierung, (5) Reflexivität.
Mehr Informationen: www.konfliktbearbeitung.net/friedenslogik
Friedenslogische Sicherheitspolitik erkennt die Bedürfnisse aller Menschen als gleichwertig an – und entwickelt aus dieser Haltung heraus tragfähige Interessensausgleiche in Übereinstimmung mit den Normen des Völkerrechts und der Allgemeinen Menschenrechte. Diese gelten auch für die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union, für die Migration und Flucht zwar ernste Herausforderungen darstellen, an denen Zuwanderung jedoch nicht mit militärischen Mitteln kontrolliert werden darf.
Daher fordern wir eine friedenslogische Sicherheitspolitik:
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Das Konzept „Sicherheit durch militärische Überlegenheit“ ist aufzugeben, die Ansätze Gemeinsamer Sicherheitspolitik für alle europäischen Staaten (OSZE, NATO-Russland-Rat, G8) und das Konzept Gemeinsamer/ Kooperativer Sicherheit sind weiter zu entwickeln.
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Globale Bedrohungen für die Sicherheit erfordern multilaterale Lösungen und deshalb eine Stärkung internationaler Institutionen, internationalen Rechts und einer Diplomatie, die Erkenntnisse zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Akteure ernst nimmt und ihr Handeln am nachhaltigen Schutz menschenwürdigen Lebens ausrichtet.
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Sicherheitspolitische Debatten im Deutschen Bundestag auf der Grundlage fundierter Konfliktanalysen, die unsere wirtschaftspolitischen Anteile an der Problementstehung mit einbeziehen und Wege zu ihrer Reduzierung aufzeigen.
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Die umfassendere Nutzung entsprechender wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher friedenslogischer Expertise.
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Die klare Benennung politischer und humanitärer Ziele, die sich am Bedarf der betroffenen Menschen orientieren sowie Instrumente zur Erreichung dieser Ziele einschließlich unabhängiger, transparenter und öffentlicher Analysen zur Wirksamkeit der eingesetzten Instrumente für die Zielerreichung.
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Die Behandlung von Sicherheitspolitik nicht nur traditionell als staatliche und militärische Angelegenheit, sondern unter Einbezug der Zivilgesellschaft, der sozioökonomischen Sicherheit der Bevölkerung und der Einhaltung der Menschenrechte. Eine Studie des BMZ 2015 zeigt, dass Mediationsausbildungen in der Bevölkerung von Krisengebieten die Chancen erhöhen, Waffenstillstände erfolgreich zu verhandeln und einzuhalten. Die Beteiligung von Frauen- und Zivilgruppen an Friedensprozessen beschleunigt und stabilisiert Verhandlungen, Ergebnisfindungen und deren Einhaltung langfristig.
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Die Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages zum Abzug der in Deutschland gelagerten Atomwaffen, eine Absage an die nukleare Teilhabe, keinen Kauf atomwaffenfähiger Kampfflugzeuge sowie den Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag.
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Eine klare Ausrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik auf die Stärkung der Mittel friedlicher Streitbeilegung entsprechend Kapitel VI Artikel 33 der Charta der Vereinten Nationen (Budget-Erhöhungen für das AA und das BMZ).
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Den Ausbau von Instrumenten und Mechanismen, die auf allen Ebenen inklusive Dialoge mit allen Konfliktbeteiligten ermöglichen (Afghanistan, Libyen),
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Den Ausbau ziviler Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung entsprechend der Leitlinien der Bundesregierung. Ein besonderer Fokus sollte auf dem Ausbau der zivil-/soziopolitischen Kompetenzen und Strukturen liegen, um gerade nach einem Waffenstillstand o.ä. ein politisches und Sicherheits-Vakuum zu vermeiden.
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Die Wiederaufnahme eines europäischen Seenotrettungsprogramms, die Entkriminalisierung und die Unterstützung der zivilen Seenotrettung,
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Den Stopp von weiteren Genehmigungen von Rüstungsexporten und militärischer Ausrüstung in Kriegs- und Krisenregionen und an alle Länder, die an kriegerischen Handlungen beteiligt sind und /oder Menschenrechte systematisch verletzen entsprechend der im Gemeinsamen Standpunkt der EU vereinbarten Kriterien.
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Um diese in nationales Recht zu überführen, soll in der kommenden Legislaturperiode ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeitet und verabschiedet werden.
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Keine weitere Erhöhung der militärischen Ausgaben, sondern eine deutliche Kürzung des Verteidigungsetats zugunsten von Maßnahmen der menschlichen Sicherheit.