Jetzt Januar 23, studiere ich die Free21 vom Dezember 22, mit seinem Editorial:
Die Rede von Putin scheint mir besonders wichtig. Auch wenn man ihn für einen Feind hält, ist es doch wichtig, wie er die Lage einschätzt!
Unipolarität versus Multipolarität
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„Wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur.” sagte Kabarettist und Gesellschaftskritiker Volker Pispers einmal sehr treffend. Dank unserer Politik und den Leitmedien, sehen wir ihn klar und deutlich: Im Osten. Die Russen werden uns als die Bösen präsentiert. Doch die Russen sollen – nach Ansicht des Außenministeriums – nicht der einzige Feind bleiben. Man fokussiert China als weiteres Feindbild. Man versucht Russland und China zu spalten und jegliche Kooperation der beiden Länder zu verhindern. Auch mit der Androhung wirtschaftlicher Sanktionen wie Handelseinschränkungen etc. will die deutsche Außenpolitik China unter Druck setzen.
Die deutsche Politik folgt damit der US-Strategie, China von der Weltwirtschaft entkoppeln zu wollen, um in einer unipolaren Weltordnung die Führung zu übernehmen. In welcher Rolle sich Deutschland in einer solchen unipolaren Weltordnung befindet, erklärt Micheal Hudson (ab Seite 4).
Wie es in dieser regelbasierten Ordnung um die vom Westen so hochgehaltenen Menschenrechte steht, zeigt uns nicht nur der Fall Julian Assange. Auch der venezolanische Diplomat Alex Saab wurde, entgegen der internationalen Rechtssprechung, daran gehindert, grundrechtlich definierte Interessen seines Landes auf diplomatischen Wege zu vertreten. John Philpot und Roger D. Harris beleuchten seinen Fall näher (ab Seite 37).
Viele Staaten der Erde – die sich nicht zur „Westlichen Werte-Gemeinschaft“ zählen – halten eine unipolare Weltordnung inzwischen für untragbar und fordern eine multipolare Welt, in der sich Staaten als gleichberechtigte Partner gegenüberstehen und kooperieren. Die Grundsatzrede von Wladimir Putin beim Valdai-Club (ab Seite 15) und die des chinesischen Präsidenten Xi Jinping (ab Seite 22), aber auch die Rede des kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro bei der UN-Generalversammlung (ab Seite 33) machen diese Forderungen deutlich.
Diese Reden zur multipolaren Welt stellen wir in dieser Ausgabe der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegenüber, in der er den russischen Krieg in der Ukraine als „Epochenbruch“ bezeichnet und sich mehr oder weniger direkt für eine unipolare Welt ausspricht. Die Unterschiede dieser Reden sind sehr deutlich und bedürfen einer dringenden Diskussion.
Michael Hudson sieht bereits jetzt einen 10-20 Jahre andauernden Kampf zwischen Unipolarität und Multipolarität voraus. Dieser Kampf wird vermutlich nicht unblutig verlaufen. Denn freiwillig und ohne Kriege haben die Imperien der Geschichte ihre Macht und Vormachtstellung niemals abgetreten.
Die steigende Anzahl an Kriegsdeserteuren im aktuellen Ukraine-Konflikt (auf ukrainischer Seite derzeit etwa 140.000, auf russischer Seite etwa 150.000 Menschen lässt uns hoffen, dass es vielleicht doch ohne Krieg Veränderung geben kann – nach dem Motto der alten Friedensbewegung: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“ oder anders ausgedrückt: „Kriege brauchen Menschen, aber Menschen brauchen keinen Krieg“. In diesem Sinne bleiben auch Sie optimistisch, aber kritisch. Das Free21-Redaktionsteam wünscht Ihnen besinnliche Weihnachtstage und einen guten Start ins neue Jahr.
Ihr Tobias Augenbraun
Stellv. Chefredakteur Free21