Gesendet: Mittwoch, 29. Juni 2022 um 22:24 Uhr
Von: „Inga Blum“
An: „IPPNW Deutschland“ <ippnw-deutschland@ippnw-lists.de>, ippnw-studies@ippnw-lists.de
Betreff: [Ippnw-deutschland] Konferenz zum AVV in Wien
An: „IPPNW Deutschland“ <ippnw-deutschland@ippnw-lists.de>, ippnw-studies@ippnw-lists.de
Betreff: [Ippnw-deutschland] Konferenz zum AVV in Wien
Liebe Alle,
Letzte Woche hat in Wien die erste Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag stattgefunden.
Überlebende der Atomwaffeneinätze und Tests berichteten eindrücklich über die katastrophalen Folgen von Atomwaffen. Gemeinsam mit Aktivist*innen, Diplomat*innen und Politiker*innen aus der ganzen Welt haben sie einen konkreten Aktionsplan (Details siehe unten) zur Umsetzung des Atomwaffenverbotsvertrags erarbeitet. Die Konferenz verabschiedete mit der Vienna Declaration, die stärkste multilaterale Erklärung gegen Atomwaffen, die es je gegeben hat.
Deutschland hat im Beobachterstatus an der Konferenz teilgenommen.
Rüdiger Bohn sagte im offiziellen Statement als Vertreter des Auswärtigen Amts, dass Deutschland interessiert daran sei, mehr über die „positiven Verpflichtungen“ des Verbotsvertrags in Bezug auf Hilfe und Einsatz für die Überlebenden von Atomwaffentests und Einsätzen zu erfahren.
Unterstützer und Skeptiker des Atomwaffenverbots sollten „Schulter an Schulter“ arbeiten, um das wachsende Risiko des Einsatzes von Atomwaffen zu verringern und die neue Proliferation aufzuhalten.
Obwohl er sich -wie erwartet- zur NATO bekannte und sagte, der Beitritt zum Atomwaffenverbot sei nicht mit der NATO Mitgliedschaft vereinbar, wurde das Deutsche Statement im Vergleich zu den Statements anderer Beobachterstaaten (Norwegen, Schweden, Niederlande) relativ positiv aufgenommen, weil es ausdrücklich die in den letzten Jahren entstandene s neue nukleare Aufrüstungswelle anerkannte und weil es gemeinsame Interessen und konkrete Möglichkeiten zur Kooperation betonte, anstatt in der von NATO und USA traditionell vertretenen feindlichen Ablehnung des Atomwaffenverbots zu verharren.
Nur wenige Tage vor der Konferenz hatten auch die Niederlande und Belgien (die so wie Deutschland Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationieren) entschieden, im Beobachterstatus teilzunehmen. Australien nahm ebenfalls teil und wird voraussichtlich als erster Staat, der in einem Bündnis mit Atomwaffenstaaten ist, unter der neugewählten Regierung den Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren.
Merle Spellenberg, Grüne MdB, sprach als VertreterIn der neu gegründeten Gruppe der ParlamentarierInnen für das Atomwaffenverbot zur Konferenz. Mit einem weitgehenden Statement riefen etwa 30 Parlamentarierinnen aus 16 Ländern Parlamentarier aus der ganzen Welt dazu auf, für das Atomwaffenverbot zu arbeiten und die ICAN Verpflichtung zu unterzeichnen. Sie verpflichteten sich dazu, an der Überzeugung ihrer Regierungen zum Beitritt zum Atomwaffenverbot und für die vollständige Implementierung des AVVS zu arbeiten.
Am Tag vor der Staatenkonferenz hatte die österreichische Regierung unter Beteiligung von Überlebenden und internationalen Wissenschaftlerinnen eine eindrückliche Konferenz zu den humanitären Folgen und zum wachsenden Risiko des Einsatzes von Atomwaffen abgehalten.
Es wurde deutlich, dass die Ideen eines begrenzten Atomkrieges und „kleiner Atomwaffen“ gefährliche Illusionen sind und dass selbst ein Atomkrieg, in dem nur wenige Atomwaffen eingesetzt würden, zu dramatischen Klimaveränderungen und schweren Hungersnöten für Milliarden Menschen führen würde. (Siehe Abschlusstatement)
Auf dem ICAN Nuclearbanforum am Wochenende zuvor hatten sich hunderte AktivistInnen aus der ganzen Welt getroffen und diskutiert, wie einzelne Menschen und die Zivilgesellschaft angesichts der realen und wachsenden Gefahr eines Atomkrieges durch den fortgesetzten Glauben an Abschreckung und militärisch-industriellen Interessen erneut vor der Aufgabe stehen, die Welt zu retten. Inspirierende Vorträge gab es u.a. zu den Zusammenhängen von Atommächten und Kolonialismus (Atommächte fast alle ehem. Kolonialmächte, Entmenschlichung Voraussetzung für Drohungen mit Atomwaffen), zur Illusion der Sicherheit durch Abschreckung und zur Kraft von internationalen Normen und Völkerrecht. Nachsehen lohnt sich: https://vienna.icanw.org/live-ican-forum-main-stage
Die Woche in Wien endete sehr ermutigend, mit Bewegung auf vielen Ebenen, konkreten Verabredungen für die Weiterarbeit und der Erkenntnis, dass die Zivilgesellschaft und die demokratische Staatengemeinschaft der Welt unaufhaltsam ist und sich von 9 Atommächten nicht auf Dauer mit ständiger globaler Vernichtung bedrohen lassen wird.
Eine politische Zusammenfassung der Konferenz findet sich hier.
Herzlichst
Inga Blum
— Aktionsplan zum Atomwaffenverbotsvertrag 2022 ——
Der Aktionsplan enthält u.a. folgende Maßnahmen:
- Aktiv für den Beitritt weiterer Staaten zum Atomwaffenverbot zu arbeiten.
- Es wurden Fristen für die Elimination von Atomwaffen festgelegt. Für Atomwaffenstaaten, die dem Vertrag beitreten, beträgt die Frist für die Elimination derAtomwaffen 10 Jahre und für die Staaten der nuklearen Teilhabe 90 Tage. Weitere Diskussionen über Verifikationsmechanismen und Institutionen sind geplant unter der Führung von Mexiko und Neuseeland.
- Zur Umsetzung der Verpflichtung zur Entschädigung und Hilfe für die Überlebenden von Atomwaffentests wurde ein Rahmenprogramm beschlossen. Unter enger Einbeziehung der betroffenen Gemeinden sollen die Folgen von Atomwaffen erfasst und technische und finanzielle Hilfen sollen bereit gestellt werden.
- Die transparente und inklusive Einbeziehung der betroffenen Gemeinden und die Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie ICAN und dem Internationalen Roten Kreuz und die Berücksichtigung von Gender- und Age- Gerechtigkeit soll weiterhin zentraler Bestandteil des Prozesses für das Atomwaffenverbot sein.
- Ein internationaler wissenschaftlicher Beirat wird eingerichtet
- Arbeitsgruppen zum Thema Universalisation, Opferhilfe und Verifikation wurden eingerichtet
- Die Komplementarität zwischen AVV und dem bisherigen Abrüstungsregime ( NPT ) wird durch einen Koordinator bestärkt, die Kooperation mit existierenden internationalen Organisationen wie IAEA und CTBTO wird verstärkt