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Bisher handelten die USA und als Vasallen „der Westen“ als ehemalige Kolonialmächte im eigenen Interesse, wenn es auch dem Völkerrecht widersprach. Jetzt entwickelt sich vor allem durch China eine Macht, die sich in den BRICS Staaten, im Shanghaiabkommen, in der „nicht mehr Akzeptanz“ des Petrodollars zeigt, die von dem USA nicht mehr leicht zur Seite gewischt werden kann. Aber sie versuchen es, mit dem Risiko eines Atomkrieges, mit dem Einsatz des Überlebens der Menschheit…
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Verdeckte Kriege im Schatten des Völkerrechts.
Norman Paech.
Ein Merkmal aller Kriege, an denen die USA und mit ihnen die Staaten der
NATO derzeit beteiligt sind, ob in Afrika, im Mittleren Osten oder in Europa,
ist ihre globale Bedeutung über den lokalen Kriegsschauplatz hinaus. In
ihnen manifestiert sich der Anspruch, die Welt nach den eigenen Interessen
zu ordnen, als „regelbasierte Ordnung“ diplomatisch im Umlauf. Diese
Ordnung unterscheidet sich nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich
von der Völkerrechtsordnung, die seit ihrer Gründung in der UNO–Charta
1945 die alleinige Matrix der internationalen Ordnung sein sollte – auch für
die NATO. Der Widerstand gegen diese alte Ordnung der Dominanz des
Westens und ihren ungebrochenen Herrschaftsanspruch hat offengelegt,
dass das koloniale Zeitalter auch nach den erfolgreichen
Befreiungskämpfen noch nicht Vergangenheit ist. Die koloniale Herrschaft
hat sich in eine postkoloniale Unterwerfung und Abhängigkeit der kleineren
und schwächeren Staaten verwandelt. Wer sich dagegen auflehnt, wird mit
dem ganzen Arsenal imperialer Gewalt vom Boykott über Embargo und
Erpressung bis zum Krieg unter die alte Ordnung gezwungen, so in
Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen oder Syrien. Alle diese Kriege sind
„Systemkriege“, um die „regelbasierte Ordnung“, sprich die Dominanz der
alten Mächte, wiederherzustellen und durchzusetzen. Die
Völkerrechtsordnung spielt dabei höchstens in den Pressekonferenzen eine
Rolle. Der laute Ruf nach dem Völkerrecht und einem internationalen
Tribunal, um Präsident Putin vor Gericht zu stellen, sollte nicht darüber
hinwegtäuschen, dass es sich hier nur um eine weitere Sanktion gegen
Russland und seinen Präsidenten handelt, nicht aber eine grundsätzliche
Rückkehr zur Völkerrechtsordnung. Prozesse gegen die möglichen
Kriegsverbrecher Kissinger (Vietnam), Busch, Rumsfeld, Cheney (Irak) etc.
stehen immer noch aus und haben keine Aussicht, je nachgeholt zu
werden.
In dem Doppelkrieg Russlands gegen die Ukraine und der NATO gegen
Russland wird die Systemfrage sehr deutlich. Es geht nicht mehr um West
gegen Ost in der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus
und Sozialismus, sondern um West gegen Ost und Süd im Kampf um die
ökonomische, politische und militärische Vorherrschaft. Der Krieg der
NATO gegen Russland greift weit über den Kriegsschauplatz Ukraine
hinaus, indem er die VR China schon als nächsten Gegner ins Visier nimmt
und die großen Staaten des Südens, Indien, Südafrika und Brasilien, in sein
Sanktionsregime gegen Russland einzubeziehen versucht – vergeblich
bisher. Die Weigerung dieser und weiterer Staaten, die Front der NATO
gegen Russland zu verstärken, ist ein deutliches Zeichen ihrer Absicht, sich
aus der nachkolonialen Abhängigkeit von ihren alten Kolonialregimen zu
befreien. Dies scheint mir der tiefere Sinn des neuen Begriffs von der
Zeitenwende zu sein.
Gegenstand der folgenden Untersuchung ist der Graubereich der
Interventionen – noch nicht Krieg, aber doch folgenreiche Einmischung in
die internen Angelegenheiten der Staaten –, mit denen vor allem die USA
auf „friedlichem“ Wege (Regime Change) die Gefolgschaft der Staaten zu
sichern versucht. Auch hier erweist sich, dass der juristische Rahmen, den
sich die Staaten selbst gegeben haben, von den alten Mächten ohne
Konsequenzen ignoriert werden kann. Selbst die internationalen
Gerichtshöfe, die nicht ohne Grund ihren Sitz im Westen in den
Niederlanden haben, sind gegenüber dem Einfluss der alten Mächte
weitgehend machtlos.
Militärische Interventionen
Im Oktober 2022 veröffentlichte der „Congressional Research Service“
(CRS), der den deutschen „Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages“
entspricht, eine Untersuchung mit dem Titel „Instances of Use of United
States Armed Forces Abroad, 1789–2022“. Danach haben die Vereinigten
Staaten in den Jahren zwischen dem Ende des Kalten Krieges 1991 und
2022 mindestens 251 militärische Interventionen in fast allen Staaten der
Erde durchgeführt. Geht man auf das Jahr 1789 zurück, waren es nach den
Erkenntnissen des Forschungsdienstes insgesamt 469. Bei allen diesen
Interventionen haben die USA nur elfmal formell den Krieg erklärt. Zudem
räumt der Dienst ein, dass er keine verdeckten militärischen
Sondereinsätze oder CIA–Operationen berücksichtigt habe. In dem Bericht
heißt es:
allem nach dem Zweiten Weltkrieg jeweils weit in den gegnerischen Staat
vorverlagert, um evtl. das Kriegsziel – Regime Change – auch mit zivilen
Mitteln der Intervention zu erreichen oder das Feld für einen militärischen
Schlag zu bereiten.
Maidan – für Demokratie und Freiheit
Nehmen wir als jüngstes Beispiel den Putsch gegen den ukrainischen
Präsidenten Janukowitsch, der nach dem Massaker auf dem Maidan in
Kiew am 20. Februar nach Russland floh. Allen neueren Erkenntnissen
zufolge war dies ein vom Westen gesponserter Putsch, wie der ehemalige
CIA–Offizier Ray Mc Govern auf YouTube schon am 21. September 2014
erklärte. Victoria Nuland habe im US–Außenministerium zusammen mit dem
US–Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, die Fäden gezogen. Der US–
Milliardär Soros, der sich den Regime Change durch die Unterstützung der
Farbenrevolutionen von Belgrad über Tbilisi bis Kiew zur Aufgabe gemacht
hatte, war schon lange vor dem Maidan in den Aufbau einer
Protestbewegung involviert. Über die zahlreichen NGO in der Ukraine wie
Open Society, Freedom House, National Endowment for Democracy oder
die britische Westminster–Stiftung fließen enorme Gelder nach Kiew. Allein
vom US–Außenministerium sind seit 2002 65 Mio. US–Dollar vor allem zur
Unterstützung des US–Kandidaten Wiktor Juschtschenko ausgegeben
worden. Die Abteilungsleiterin im Außenministerium, Victoria Nuland,
spricht sogar von fünf Mrd. US–Dollar, die über die Stiftungen zur Förderung
von Demokratie und Freiheit in die Ukraine geleitet wurden. Etliche Dollar
sind dabei auch in den Aufbau der Protestbewegung PORA – „Es ist Zeit“
investiert worden, die dann bei den Maidan–Demonstrationen eine
strategische Rolle spielen sollte. Mit den Geldern werden nicht nur
Vortragsreisen, Ausbildungszirkel, Lehrgänge, Trainings, Schulungen und
Seminare finanziert. Auch Material– und Sachspenden wie die Ausrüstung
der Maidan–Demonstranten mit orangenen T–Shirts und über 1.500 Zelten
kommen ins Land, um den aus allen Provinzen anreisenden Jugendlichen
den Aufenthalt im winterlichen Kiew zu ermöglichen. Es sind immerhin
anderthalb Millionen, die am 27. November 2014 den Maidan und die
angrenzenden Straßen bevölkern – ein Spektakel, welches ohne die
massive Unterstützung durch die zahlreichen Stiftungen nicht möglich
gewesen wäre. In Belgrad wurden 1999, finanziert von der Freedom–
House–Stiftung, 5.000 Exemplare des Buches „From Dictatorship to
Democracy. Ein methodisches Buch zur Befreiung“ des US–amerikanischen
Professors Gene Sharp von der Bostoner Albert Einstein Institution
verteilt. DER SPIEGEL zitiert aus diesem Brevier für „198 Methoden der
gewaltfreien Aktion“:
„Meine Prinzipien haben nichts mit Pazifismus zu tun. Sie basieren auf der
Analyse der Macht in einer Diktatur und wie sie gebrochen werden kann –
nämlich dadurch, dass die Bürger auf allen Ebenen der Staatsmacht und
ihren Institutionen den Gehorsam verweigern.“
Mit derartigen Mitteln wird der Boden bereitet, auf dem dann die bunten
Revolutionen den Sturz des alten Regimes und die Ersetzung durch ein
neues, dem Westen ergebenes Regime vollstrecken sollen. Präsident Petro
Poroschenko, der durch den Putsch an die Macht gekommen war,
bedankte sich im September 2014 vor dem US–Kongress nicht ohne Grund
für die „Solidarität der USA“.
Regime Change in Syrien
Das Modell dieser oft offenen, aber überwiegend geheimen Organisation
des Umsturzes einer dem Westen missliebigen Regierung ist die verdeckte
Kriegsführung. Ihre Operationen provozieren einen Putsch wie 2014 in der
Ukraine oder aber bürgerkriegsähnliche Spannungen und Kämpfe, die den
Vorwand für militärische Interventionen bieten, wie in Libyen 2011 und
Syrien 2014. So begründeten die USA ihren Bombenangriff auf Syrien vom
23. September mit Terrorbekämpfung, obwohl die Terroranschläge
radikaler Dschihadisten der Muslimbrüder, der Al–Nusra–Front, von al–Qaida
und dem Islamischen Staat im Irak und Syrien (ISIS) sowie der Freien
Syrischen Armee (FSA) den Sturz der Regierung Assad in Damaskus zum
Ziel hatten und keine Bedrohung für die USA darstellten. Präsident Obama
hatte weder ein Mandat des UNO–Sicherheitsrats noch die Zustimmung von
Präsident Assad, er hatte nur das gleiche Ziel wie die Dschihadisten – den
Sturz der Regierung Assad. Dass das offen völkerrechtswidrig war, hat aber
die Intervention und die Präsenz US–amerikanischer Truppen in Syrien bis
heute nicht berührt.
Doch der Krieg begann nicht erst mit dem Angriff im September 2014.
Schon weit vor dem März 2011, als in der Stadt Dara dicht an der Grenze
zu Jordanien die ersten großen Demonstrationen stattfanden, waren
geheime Operationen im Gange. Wie der US–amerikanische Journalist
Seymour Hersh im April 2016 aufdeckte, gab es bereits 2006 in der US–
amerikanischen Administration Überlegungen und Pläne, wie man die
Regierung in Damaskus destabilisieren und religiöse Spannungen anheizen
könne. Er berichtete von einer Regierungsdepesche aus dem Jahr 2006,
die belegte, „dass die US–Botschaft fünf Millionen Dollar für die
Finanzierung von Dissidenten ausgegeben hatte“. Eine Untersuchung von
Mitarbeitern des US–Kongresses datiert den Beginn der Umsturzpläne
sogar in das Jahr 2003, unmittelbar nach dem Irak–Krieg, als die US–
Administration die Regierung in Damaskus als zu links einschätzte. Diesmal
waren aber nicht die USA und ihre europäischen Verbündeten die
Hauptsponsoren, sondern vor allem Katar und Saudi–Arabien versuchten,
mit Geld und Waffenlieferungen den Sturz der Regierung zu beschleunigen.
Die Kollaboration der USA mit den Golfstaaten ergab allerdings nicht eine
Arbeitsteilung der Art, dass die einen Geld, die anderen Waffen lieferten.
Schon zu Beginn der Zusammenstöße in Dara kamen in Libyen erbeutete
Waffen mit unmarkierten NATO–Kriegsflugzeugen über die Türkei nach
Syrien in die Hände der Dschihadisten. „Französische und britische
Spezialeinheiten trainieren die syrischen Rebellen vor Ort, die CIA und
amerikanische Spezialeinheiten beliefern die Rebellen mit
Aufklärungsdaten, damit sie starken Verbänden der syrischen Armee
ausweichen können“, berichtete der ehemalige CIA–Analytiker Philip Girardi
im Dezember 2011. Katar beteiligte sich an dem verdeckten Krieg neben
Geld und Waffen mit einer besonders wertvollen Waffe: Der in Katar
stationierte Fernsehsender Al Jazeera befeuerte die Auseinandersetzungen
von außen. Die USA haben sich immer damit zu rechtfertigen versucht,
dass sie nur die „moderaten“ Rebellen unterstützen. Doch in einem Bericht
der „Defence Intelligent Agency“ (DIA) vom 12. August 2012 heißt es
unmissverständlich:
„Die Salafisten, die Muslimbruderschaft und al–Qaida im Irak sind die
treibenden Kräfte des Aufstands in Syrien… Der Westen, die Golfstaaten
und die Türkei unterstützen die Opposition, während Russland, China und
Iran das Regime unterstützen.“
Man scheut offensichtlich keinen Widerspruch. Unter dem Zeichen der
Terrorbekämpfung arbeiten die USA und NATO mit den Dschihadisten
zusammen, die vor keinem Terror zurückschrecken, weil sie das gleiche
Ziel verfolgen, Assad zu stürzen. Sie fördern den Terror, den sie zu
bekämpfen vorgeben.
Libyen – bis zur Ermordung Gaddafis
Nehmen wir als letztes Beispiel Libyen. Schon lange vor der
Bombardierung Libyens durch die NATO, die am 19. März 2011 begann,
hatten die USA versucht, den unbequemen Muammar Gaddafi zu stürzen.
Seit den frühen achtziger Jahren wurde er von den meinungsbildenden
Medien in den USA und Großbritannien als „Terroristen–Warlord“
dämonisiert. Im Juli 1981 wurde der Presse ein Plan der CIA
durchgestochen, Gaddafi zu stürzen und möglicherweise zu töten. 1982
konnte abseits der großen Medien Hissène Habré mit der Unterstützung
der CIA und israelischer Truppen die Regierung von Goukouni Wedeye
stürzen. Human Rights Watch berichtete:
„Unter Präsident Reagan haben die USA durch geheime paramilitärische
Unterstützung der CIA, geholfen, Habré zu installieren, um, so
Außenminister Alexander Haig, ‚Gaddafi eine blutige Nase‘ zu verpassen“.
Ein Report von Amnesty International berichtete über massive militärische
und finanzielle Unterstützung für Habré durch den Kongress. Sie galt dem
geheimen Krieg gegen Gaddafi. Doch die USA kamen nicht an ihr Ziel.
Verschiedene weitere Pläne scheiterten.
Schließlich bombardierte die US–amerikanische Luftwaffe am 14./15. April
1986 zum ersten Mal die Hauptstadt Tripolis und Bengasi. Der Angriff war
illegal, nur die Briten unterstützten die USA. Präsident Ronald Reagan
begründete ihn damals als Reaktion auf den Anschlag in der Berliner
Diskothek La Belle, konnte aber nur wenige überzeugen, es handele sich
um einen Akt der Verteidigung gem. Art. 51 UN–Charta. Auch dieser Plan
scheiterte und die militärischen Aktionen gegen Libyen verschwanden aus
den Medien. Doch die CIA arbeitete weiter an ihren Plänen und baute eine
geheime Armee auf, die aus zahlreichen Libyern bestand, die in den
achtziger Jahren in die Grenzkämpfe mit dem Tschad verstrickt waren. Als
das Gerücht aufkam, Gaddafi ließe chemische Waffen entwickeln,
engagierten sich auch die Briten und gründeten mit dem Geheimdienst MI6
verschiedene Oppositionsgruppen in Libyen, die sie finanzierten, darunter
auch die „Libysche Nationalbewegung“ in London. Doch alle weiteren
Anschläge blieben ohne Erfolg. Die großen Ölreserven und die für die
Europäer wichtige Funktion Libyens, die afrikanischen Flüchtlinge vor ihrem
Weg über das Mittelmehr nach Europa zu stoppen, konnten die USA und
ihre NATO–Verbündeten nur vorübergehend mit Gaddafi versöhnen. Dieser
hingegen machte aus seiner anti–imperialistischen Haltung keinen Hehl. Als
er in der UNO–Generalversammlung 2009 forderte, dass die Schuldigen
des Irakkrieges vor Gericht gestellt werden müssten – „Es war ein
Massaker, ein Genozid: Mehr als 1,45 Millionen Menschen kamen ums
Leben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Irak–Fall vor den
Internationalen Strafgerichtshof (ICC) kommt, und wir wollen die
Verantwortlichen dieser Massenmorde vor Gericht sehen“ –, lebten die
alten Pläne des Umsturzes wieder auf. Sie sollten sich im Februar 2011 in
den Wirren des Arabischen Frühlings verwirklichen lassen, bei denen die
von MI6 und CIA aufgebauten Oppositionsgruppen zweifellos eine wichtige
Rolle spielten. Am 19. März 2011 begannen Frankreich und USA mit der
Bombardierung Libyens. Zwei Tage zuvor hatte der UN–Sicherheitsrat mit
seiner Resolution 1973 beschlossen, eine Flugverbotszone über Libyen zu
errichten, um die Zivilbevölkerung vor Angriffen der libyschen Luftwaffe zu
schützen. Im Mai waren dieser Auftrag und auch das Mandat des
Sicherheitsrats erfüllt, die NATO–Verbände setzten ihre Angriffe jedoch fort,
bis Gaddafi am 20. Oktober 2011 getötet wurde. Das war
völkerrechtswidrig, da die Angriffe nun ohne Mandat fortgesetzt wurden.
Der Sicherheitsrat schwieg dazu allerdings, was angesichts seiner
Zusammensetzung nicht verwundern konnte. Auch der Internationale
Strafgerichtshof in Den Haag sah keine Veranlassung zu einer
Untersuchung. Allerdings hatte er bereits am 3. März 2011 auf Initiative der
USA eine offizielle Untersuchung gegen Gaddafi wegen des Verdachts auf
Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei seinem Kampf gegen die
Rebellen aufgenommen.
Der verdeckte Krieg im Völkerrecht
Wenden wir uns der juristischen Bewertung dieser oftmals geheimen
Wühlarbeit, Machenschaften und Interventionen, die unter dem Begriff
„verdeckter Krieg“ zusammengefasst werden können, zu, so müssen wir
zunächst darauf hinweisen, dass das internationale Recht den Begriff
„Krieg“ nicht kennt. Dort wird der Krieg enger und präziser als „bewaffneter
Konflikt“ definiert. Das bedeutet, dass für den Wirtschaftskrieg oder den
Cyberkrieg die Regeln des humanitären Völkerrechts, wie sie in den Haager
und Genfer Konventionen sowie weiteren Konventionen und Pakten
kodifiziert sind, nicht angewendet werden können. Für diese
nichtbewaffneten Konflikte müssen andere Regeln gefunden und vereinbart
werden. Ähnlich strikte und verbindliche Regeln wie im humanitären
Völkerrecht finden wir hier nicht. Das hat zur Folge, dass die Grenzen zur
Illegalität bei diesen „nichtbewaffneten „Konflikten“ weit nach hinten
verschoben sind. Die UNO–Charta listet in Art. 33 zwar verschiedene
Alternativen auf, die den Streitparteien eine friedliche Beilegung ihrer
Streitigkeiten ermöglichen sollen, „durch Verhandlung, Untersuchung,
Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung,
Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen“, stellt aber
keine Verfahren zur Verfügung, mit denen diese „friedliche Beilegung“
erzwungen werden könnte.
Auch die immer wiederkehrenden Versuche, diese unterschiedlichen
Formen des „verdeckten Krieges“ rechtlich einzuhegen, sind bisher nicht
über Resolutionen der UN–Generalversammlung hinausgekommen.
Ausgangspunkt aller juristischen Überlegungen ist der Art. 2 Z. 7 UN–
Charta, der den Vereinten Nationen „das Eingreifen in Angelegenheiten, die
ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören“,
verbietet. Da dieses nur für die Organisation der Vereinten Nationen
ausgesprochene Verbot aber von so grundlegender Bedeutung für den
Schutz der staatlichen Unabhängigkeit und Souveränität ist, wird es heute
auch allgemein als zwingendes Verbot zwischen den Staaten angesehen.
Zu näheren Angaben über die Konkretisierung, Umsetzung oder Folgen
dieses Verbots schweigt das Grundgesetz. Die Charta der Organisation der
afrikanischen Staaten (OAS) von 1963 ist aus den eigenen historischen
Erfahrungen konkreter. In Art. 3 benennt sie u.a. drei Prinzipien, die
verbindlich sind:
„1. Die souveräne Gleichheit aller Staaten, 2. Nichteinmischung in die
inneren Angelegenheiten der Staaten, 3. Respekt vor der Souveränität und
territorialen Integrität jeden Staates und für sein unveräußerliches Recht auf
eine unabhängige Existenz, 4. Friedliche Beilegung von Streitigkeiten durch
Verhandlung, Mediation, Versöhnung und Schiedsbarkeit.“
Doch auch diese Prinzipien lassen noch genügend Raum für
unterschiedlichste Interpretationen, sodass sich noch im gleichen Jahr ein
Ausschuss der Generalversammlung an die Arbeit machte, sieben
maßgebliche „Völkerrechtsgrundsätze für freundschaftliche Beziehungen
und Zusammenarbeit zwischen den Staaten“ zu entwickeln. Das
Interventionsverbot spielte dabei eine wichtige Rolle und wurde schon 1965
in einer Resolution der Generalversammlung „Declaration of the
Inadmissibility of Intervention in the Domestic Affairs of States and the
Protection of their Independence and Sovereignty“ als Resolution 2131 (XX)
einstimmig beschlossen. Fünf Jahre später wurde das Verbot weitgehend
wörtlich in die berühmte „Friendly Relations“ Resolution 2625 (XXV)
übernommen und im Konsens abgestimmt. Zum Interventions– und
Einmischungsverbot heißt es dort:
„Kein Staat und keine Staatengruppe hat das Recht, sich aus irgendeinem
Grund unmittelbar oder mittelbar in die inneren und äußeren
Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen. Folglich sind
bewaffnete Intervention und alle anderen Formen der Einmischung oder
Drohversuche gegen die Rechtspersönlichkeit eines Staates oder gegen
seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bestandteile
völkerrechtswidrig.
Kein Staat darf wirtschaftliche, politische oder irgendwelche anderen
Maßnahmen anwenden oder zu seiner Anwendung ermutigen, um gegen
einen anderen Staat Zwang in der Absicht anzuwenden, von ihm einen
Verzicht auf die Ausübung souveräner Rechte zu erreichen oder von ihm
Vorteile irgendwelcher Art zu erlangen. Desgleichen darf kein Staat
subversive, terroristische oder bewaffnete Aktivitäten organisieren,
unterstützen, schüren, finanzieren, anreizen oder dulden, die auf den
gewaltsamen Sturz des Regimes eines anderen Staates gerichtet sind,
oder in bürgerkriegsartige Kämpfe in einem anderen Staat eingreifen.“
Obwohl die Generalversammlung immer wieder in ihren Resolutionen
Bezug auf die Prinzipiendeklaration genommen hat, ist sie nicht zu
Völkergewohnheitsrecht erstarkt. Allerdings hat der Internationale
Gerichtshof (IGH) in seinem berühmten Urteil vom 27. Juni 1986 im Streit
zwischen Nicaragua und den USA einzelne Teile des Interventionsverbots
als rechtsverbindlich anerkannt. Es heißt in seinem Urteil u.a.:
„A prohibited intervention must… be one bearing matters in which each
State is permitted, by the principle of State sovereignty, to decide freely.
One of these is the choice of political, economic, social and cultural system,
and the formulation of foreign policy. Intervention is wrongful when it uses
methods of coercion in regard to such choices, which must remain free
ones. The element of coercion, which defines, and indeed forms the very
essence of, prohibited intervention, is particularly obvious in the case of an
intervention which uses force, either in the form of military action, or in the
indirect form of support for subversive or terrorist armed activities within
other States.“
„Eine verbotene Intervention muss… Angelegenheiten betreffen, über die
jeder Staat nach dem Grundsatz der staatlichen Souveränität frei
entscheiden kann. Dazu gehören die Wahl des politischen, wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Systems und die Formulierung der Außenpolitik.
Eine Intervention ist unrechtmäßig, wenn sie bei diesen Entscheidungen,
die frei bleiben müssen, Zwangsmittel anwendet. Das Element der
Nötigung, das die verbotene Intervention definiert und sogar ihr Wesen
ausmacht, ist besonders offensichtlich im Falle einer Intervention, die
Gewalt anwendet, entweder in Form einer militärischen Aktion oder in
indirekter Form der Unterstützung von subversiven oder terroristischen
bewaffneten Aktivitäten in anderen Staaten.“
Deutlichere Kriterien für die Unterscheidung von verbotener und erlaubter
Intervention liefert die Resolution nicht. Sie sind bisher auch nicht in der
Staatenpraxis und der Wissenschaft entwickelt worden. Anhaltspunkte
lassen sich allerdings dem Nicaragua–Urteil des IGH aus dem Jahr 1986
entnehmen. In diesem Urteil hat er die Unterstützung der in Nicaragua
operierenden Contras durch die USA ausdrücklich als rechtswidrig
qualifiziert. Selbst die Verteilung eines Handbuchs „Psychological
Operations in Guerilla Warfare“ an die Contras hat das Gericht als
Verletzung allgemeiner Prinzipien der Menschenrechte und Verstoß gegen
das Interventionsverbot gewertet. Die Unterstützung von Terroristen muss
also nicht immer nur militärische Mittel anwenden, um verboten zu sein.
Das gilt auch für den heute häufig angewandten Druck auf Staaten zur
Einhaltung elementarer Menschenrechte. Er ist nur insoweit unbedenklich,
als er nicht zum Mittel des Zwangs greift. So werden politische und
wirtschaftliche Sanktionen, Embargos und Boykotts im Allgemeinen nicht
vom Interventionsverbot erfasst – wie etwa die Sanktionen gegen die VR
China und Russland. Sobald sie jedoch einen bestimmten Grad der
Intensität überschreiten, sei es der Dauer oder der Auswirkung auf die
Bevölkerung, wie die viele Opfer verursachenden Sanktionen gegen Irak
oder Iran oder das jetzt über 60 Jahre dauernde Embargo der USA gegen
Kuba, verstoßen sie gegen das Verbot. Die jährlichen Abstimmungen in der
UNO gegen den Wirtschaftsboykott der USA sind nicht nur Ausdruck
politischer Ablehnung der US–Praxis, sondern reflektieren ihre
Qualifizierung als rechtswidrig. Insbesondere sind Sanktionen zudem
verboten, wenn sie einen Regime Change zum Ziel haben.
Mangels eindeutiger Kriterien bleibt die Grenzziehung zwischen verboten
und erlaubt in jedem Einzelfall problematisch und unsicher. So hat die US–
Außenministerin Albright die Auswirkungen des US–Boykotts gegen den
Irak anders eingeschätzt als die beiden Sonderbeauftragten des UN–
Generalsekretärs, Dennis Halliday und Hans von Sponeck, die ihren Posten
quittierten, da sie die Auswirkungen des Boykotts für unverhältnismäßig
und menschenrechtswidrig hielten. Auch die jahrelange Einmischung der
USA in die politische Entwicklung der Ukraine unter der Überschrift
„Förderung der Demokratie“ mit dem zielgerichteten Aufbau einer
Opposition und aufwendigen finanziellen und ideologischen Mitteln wird
wahrscheinlich in der Regierung des schließlich gestürzten Janukowitsch
anders beurteilt worden sein als jetzt in der Regierung Selenski. Sieht man
in den Aktivitäten die Vorbereitung eines Regime Change, was nicht weit
hergeholt ist, so muss man sie als rechtswidrige Einmischung in die
Angelegenheiten eines anderen Staates einordnen, so willkommen das
Ergebnis den Nachfolgern der gestürzten Regierung auch ist.
Fassen wir zusammen, so haben sich die Einmischungen in die politischen
Prozesse in allen drei Ländern, Ukraine, Syrien und Libyen, so
unterschiedlich sie waren, als schwere, rechtswidrige Interventionen in die
Angelegenheiten eines fremden Staates erwiesen. Es gab keinerlei
Rechtfertigung für die Aktivitäten, es sei denn, man lässt die nachträgliche
Akzeptanz der US–amerikanischen Aktivitäten durch die Regierung Selenski
als Rechtfertigung gelten. Die UN–Sonderberichterstatterin über die
negativen Folgen einseitigen Zwanges auf den Genuss von
Menschenrechten, Alena Douhan, bekannte in einem Interview, „dass
ungefähr 98 % der heute beschlossenen Sanktionen die internationalen
Pflichten der Staaten verletzen…“ und betonte, „dass diese Sanktionen, die
zumeist im Namen der Menschenrechte, der Demokratie und der
Rechtsstaatlichkeit verhängt werden, genau diese Grundsätze, Werte und
Normen untergraben“. Sie hätte „eindeutig festgestellt“, dass die
Anwendung einseitiger Zwangsmaßnahmen „das Recht auf Entwicklung
beeinträchtigt und die Erreichung jedes einzelnen nachhaltigen
Entwicklungsziels verhindert“. (Xinhua v. 13. Juli
2021, english.news.cn/20220713/860cccd348a24f3e975945980b8476db/c.
html, vgl. auch Marc Bossuet, The Adverse consequences of economic
sanctions on the enjoyment of human rights, Economic and Social Council,
E/CN.4/Sub.2/2000/33, 21.6.2000)
Doch bedeutet die Feststellung der Rechtswidrigkeit noch nicht die
Tauglichkeit für eine Verfolgung mit juristischen Mitteln vor einem
internationalen Gericht. Denn diese folgen nicht nur juristischen, sondern
vor allem politischen Überlegungen. Seit März 2022 hat der Chefankläger
des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, in der Ukraine
Voruntersuchungen zur Beweissicherung von möglichen, vornehmlich
russischen Kriegsverbrechen eingeleitet. In Koblenz hat es einen viel
beachteten Prozess gegen zwei Syrer wegen Staatsfolter gegeben, der mit
einer Verurteilung zu lebenslanger Haft bzw. viereinhalb Jahre Haft wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit endete. Ermittlungen, die der IStGH
im März 2021 wegen möglicher Kriegsverbrechen im Israel–Palästina–
Konflikt aufgenommen hat, sind hingegen ohne Fortschritte geblieben. Die
gegenwärtigen Machtverhältnisse hinter dem IStGH, der kein Gericht der
UNO ist, sondern unabhängig auf einem internationalen Vertrag mit 124
Staaten beruht, sind derart, dass bisher kein Verfahren gegen einen
Mitgliedstaat der NATO eröffnet wurde. In den Fällen, in denen die
ehemalige Chefanklägerin Fatou Bensouda es versuchte – gegen USA und
Großbritannien wegen Foltervorwürfen in Afghanistan und Irak –, wurden
die Untersuchungen nach zum Teil massiven Interventionen eingestellt. So
bleibt das Resümee zwiespältig. Die Staaten haben zwar nach Jahrzehnte
dauernden Verhandlungen einen Kodex internationaler Strafnormen im
Römischen Statut von 1998 entwickelt, der auf der Höhe der Zeit dem
aktuellen Unrechts– und Strafbewusstsein entspricht, um Straftäter bis in die
höchsten staatlichen Ämter zur Verantwortung zu ziehen. Die alte koloniale
Spaltung der Welt wirkt jedoch auch nach der formalen Befreiung von der
kolonialen Gewalt fort. So werden sich die alten Kolonialmächte den von
ihnen selbst entwickelten Strafnormen weiter entziehen können. Daher wird
auch die Subsumierung der verschiedensten Formen verdeckter Kriege
unter die Strafnormen des Römischen Statuts derzeit kein Verfahren vor
dem Internationalen Gerichtshof ermöglichen.
Ich danke Joachim Guillard für wertvolle Hinweise.
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Über admin
Hausarzt, i.R., seit 1976 im der Umweltorganisation BUND, schon lange in der Umweltwerkstatt, seit 1983 in der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW (www.ippnw.de und ippnw.org), seit 1995 im Friedenszentrum, seit 2000 in der Dachorganisation Friedensbündnis Braunschweig, und ich bin seit etwa 15 Jahren in der Linkspartei// Family doctor, retired, since 1976 in the environmental organization BUND, for a long time in the environmental workshop, since 1983 in the medical peace organization IPPNW (www.ippnw.de and ippnw.org), since 1995 in the peace center, since 2000 in the umbrella organization Friedensbündnis Braunschweig, and I am since about 15 years in the Left Party//
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