Russlands Krieg in der Ukraine im News-Ticker: Ex-Merkel-Berater: Lieferung schwerer Waffen wäre „Weg in den Dritten Weltkrieg“
➤ Ex-Merkel-Berater Vad gegen Lieferung von schweren Waffen an Ukraine
Der ehemalige militärpolitische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel, Brigadegeneral a.D. Erich Vad, hat sich gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Solche Lieferungen seien potenziell ein „Weg in den Dritten Weltkrieg“, sagte Vad der Deutschen Presse-Agentur.
Davon abgesehen, könne man komplexe Waffensysteme wie den Kampfpanzer Leopard oder den Schützenpanzer Marder nur nach jahrelanger Ausbildung systemgerecht bedienen und einsetzen, sagte Vad. Sie nützten den Ukrainern militärisch aktuell und auf absehbare Zeit also gar nichts.
„Wir machen im Moment sehr viel Kriegsrhetorik – aus guter gesinnungsethischer Absicht“, sagte Vad. „Aber der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Wir müssen den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her denken. Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“
Vad warnte davor, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin das Menschsein abzusprechen und ihn zum krankhaften Despoten abzustempeln, mit dem man nicht mehr reden könne. So völkerrechtswidrig und furchtbar der Ukraine-Krieg sei, er stehe doch in einer Kette vergleichbarer Kriege jüngeren Datums.
Auch die viel zu vielen toten Zivilisten und die Massaker, die sich jetzt im Ukraine-Krieg ereigneten, seien leider nicht außergewöhnlich. „Im Krieg werden Unschuldige getötet. So ist der Krieg. Das ist leider systemimmanent.“ Vad erinnerte an den Irakkrieg von 2003. In diesem Krieg und während der darauf folgenden Besetzung des Landes seien Hunderttausende von Zivilisten getötet worden. „Damit verglichen, fällt Putin nicht aus dem Rahmen. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen – so erschütternd die Bilder auch sind.“
Wenn es zum Beispiel heiße, die Russen hätten eine Geburtsklinik unter Feuer genommen, dann schwinge dabei mit, dass dies absichtlich geschehen sei. „Es ist aber sicher nicht Putins Absicht gewesen – warum sollte er das tun? Er wird dafür weltweit an den Pranger gestellt. So schrecklich das ist, aber das und die Inkaufnahme tausender toter Zivilisten hatten wir im Irak, in Libyen, in Afghanistan genauso.“
Ebenso zweischneidig sei es, Putin vorzuwerfen, dass er die Ukraine und die Krim zur geopolitischen Einflusssphäre Russlands rechne. Es werde dann gesagt, dass das eine obsolete Sichtweise des 19. Jahrhunderts sei. „Doch für die Amerikaner gilt bis heute die Monroe-Doktrin, die besagt, dass auf dem amerikanischen Kontinent keine Interventionen fremder Mächte geduldet werden. Und die Karibik ist sicherlich auch eine Einflusssphäre, nicht erst seit der Kuba-Krise.“ Auch wenn man in guter Absicht die Demokratisierung der Welt vorantreiben wolle, gehe es faktisch und machtpolitisch immer auch um das Ausdehnen von Einfluss-Sphären.
Der Sicherheitsexperte und Militäranalyst geht davon aus, dass Putin den ursprünglich von ihm angestrebten Regime-Wechsel in der Ukraine nach dem weitgehenden Abzug aus dem Raum Kiew aufgegeben habe. „Deshalb stehen die Chancen für Verhandlungen eigentlich nicht schlecht“, sagte Vad.
Die Lage im Überblick:
Seit 24. Februar führt Russland aus der Luft und am Boden einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kurz zuvor hatte Präsident Wladimir Putin das Existenzrecht der Ukraine als eigenständiger Staat in Zweifel gezogen und die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine verkündet.
Die ukrainische Armee wehrt sich nach Kräften gegen die Invasoren. Auf beiden Seiten gibt es Berichten zufolge Tausende Tote, wie viele Soldaten und Zivilisten bereits starben, lässt sich jedoch nicht unabhängig überprüfen. Fakt ist: Die humanitäre Lage in der Ukraine spitzt sich mit jedem Tag zu. Nach Angaben der UN sind inzwischen mehr als 4,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen (Stand: 12. April), vor allem Frauen und Kinder, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen dürfen.
Die EU und die USA reagierten mit Sanktionen. Außerdem liefern sie der Ukraine Waffen, auch Deutschland unterstützt das Land mit schweren Waffen aus Bundeswehr- und NVA-Beständen. Dass die Nato aktiv in den Krieg eingreift, gilt bislang als ausgeschlossen.
Am ersten April-Wochenende sorgten Bilder von den Leichen vieler Zivilisten in der Kleinstadt Butscha bei Kiew international für Entsetzen. Die Ukraine spricht von schweren Kriegsverbrechen und Völkermord und macht dafür russische Truppen verantwortlich. Moskau bestreitet trotz zahlreicher Hinweise am Tod der Zivilisten beteiligt gewesen zu sein. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, die Verhandlungen mit Russland sollen weiter fortgesetzt werden.