Vortrag von Stefan Hebel:
Knapp 40 Personen
Stephan Hebel, Leitartikel-Schreiber und politischer Autor der Frankfurter Rundschau
Einfügung Januar 2020: Die USA sind durch ihre Hegemonialpolitik zu einer Belastung für die Weltgemeinschaft geworden
Marktideologie haben dem Ansehen des Staates schweren Schaden zugefügt, Ronald Reagan und Thatcher haben das TINA Prinzip einführt. Ein anderes Zitat von Thatcher ist noch schlimmer,“there is no such thing as society“, offener kann man den Krieg jeder gegen jeden nicht formulieren. Graf Lambsdorff war ein anderer Wegbereiter, in der Hau-Ruck Rede von Roland Herzog war schon das gesamte Programm enthalten, das Gerhard schröder dann exekutierte. In unserem steinreichen Land sind 15% arm, der Prozentsatz ist gestiegen, beim Klimaschutz wird zur Zeit schlimm geschludert, strengere Regeln werden verhindert, das führt zu Klimakriegen und Klimaflüchtlingen, zum Beispiel ist das auch ein wesentlicher Grund für die Krise in Syrien…
Ein anderes Problem sind die Freihandelsabkommen. Es wird ja vernichtende Kritik an ihnen geübt, aktuell gegen CETA, dabei geht es zum Beispiel um Hähnchenschenkel, wo sich der Export nach Westafrika versiebenfacht hat, die Bauern gehen pleite und , Bauern kommen dann oft in den Flüchtlingsstrom, auch durch Waffenlieferungen macht sich Deutschland schuldig. In Westeuropa und Deutschland gibt es viele ethnische Problemviertel, man muss die Wurzeln der Störung finden. Ethnische Zugehörigkeit ist an sich irrelevant, aber Abgleiten junger Menschen in die Gewalt, aus rechter Ideologie oder glaubensorientiert, das ist ziemlich egal, beides kommt in den gleichen Stadtvierteln vor. Er hatte die Erklärung von Merkel, „wir schaffen das“, gut gefunden, aber mit dem Flüchtlingsdeal mit der Türkei hat sie eine besonders perfide Art bewiesen…
Lange vor den Flüchtlingen ging die Saat der Gewalt auf, der momentane Politikstil ist durch die Ideologie des Pragmatismus geprägt, dies wurde spätestens bei Merkel zur Perfektion getrieben. Jahrelang wurde eine Politik gemacht, die die Zufriedenen zufrieden und die Unzufriedenen immer unzufriedener macht. An entscheidenden Stellen vertritt sie neoliberale Interessen mit der Ideologie, erstens „keine Steuererhöhung“. Dabei ist unser Staat chronisch unterfinanziert, es ist blöde, sich zugleich über die Schlaglöcher und zu hohe Steuern aufzuregen. Defizite werden ausschließlich über Ausgabensenkungen bekämpft. Seine zweite These, die paritätische Finanzierung sei ohne Aufschrei begraben worden, der Rente ging es genauso. Die Sozialsysteme können nicht so bleiben, sie müssen breiter finanziert werden, wir brauchen eine Bürgerversicherung. Wir brauchen wieder wirkliche Reformen, der Reichtum muss weltweit gerechter verteilt werden, wir müssen raus aus der faktischen Politik sozialer Abgrenzung, wir brauchen Lebenschancen für alle.
Die Vision der Gesellschaft: Helmut Schmidt sagte, wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, er sagt, wer keine Visionen hat, muss ins Krankenhaus. Es gibt einen wachsenden Reichtum bei gleichzeitig zunehmender Armut, 5 Billionen ( eine Reichensteuer würde viel bringen).
Wenn nicht für die Finanzierung gesorgt wird, notfalls durch Umverteilung, treibt man die Menschen der AfD in die Arme. Eine größere Opposition ist bisher nicht in Sicht, die Grünen ergeben sich bisher meist dem Neoliberalismus , die Linke ist bisher eine zu zerrüttete Alternative. Viele Menschen werden angestachelt und „entdecken“ den Hass auf die Flüchtlinge. Sie glauben an das Schlaflied der Ideologie, sie lassen sich einschläfern nicht aus Dummheit, sondern sie ergeben sich der Übermacht der gesteuerten Argumente. Frank Schirrmacher schrieb in seinem letzten Buch, die Ökonomen haben den Seelenhaushalt zu ihrem Thema gemacht. Stefan Hebel kennt viele, die mit Politik nichts zu tun haben wollen, sich aber aufregen, dass die Schultoilette so verdreckt sei. Sie sehen nicht, dass dies mit Politik zusammenhängt. Erich Fromm schrieb, sozioökonomisch haben wir erreicht, dass die Menschen wollen, was sie sollen. „Wettbewerbsfähigkeit“ ist das Schlagwort, gesteuert von Interessen und Ideologien. Er hat einen 28-jährigen Sohn, der gar keine solidarische Versicherung gegen Arbeitslosigkeit mehr kennt.
Die schon einmal erreichten Verhältnisse lassen sich wiederherstellen, es müssen nur ausreichende Mehrheiten dafür sorgen.
Aus der Sicht jedes Einzelnen sind die neoliberalen Forderungen sinnvoll, zum Beispiel die Flexibilisierung, die dazu führt, dass der mobilere Kandidat die Stelle bekommt, man kann den Leuten da keinen Vorwurf machen, aber der entscheidende Punkt ist, dass dieselbe Politik, die dem Einzelnen nutzen kann, für die gesellschaftliche Bedrohung verantwortlich ist. Wir dürfen uns nicht mehr belügen lassen, es kostet die große Mehrheit deutlich mehr, als wenn sie aufsteht und wirkliche Reformen durchsetzt.
Dritte These: Es gibt Alternativen: wir brauchen wieder einen Reformdruck für wirkliche Reformen. Fromm sagte, der Mensch kann sich an fast alles gewöhnen, er sei kein leeres Blatt Papier, aber er kann auch neue Bedingungen schaffen, die den menschlichen Grundbedürfnissen besser entsprechen, z.B. durch Stuttgart 21, durch die Friedensbewegung. Grundsätzlich geht es um die Wiedergewinnung des Politischen. Es geht darum, die Herrschaft dem Marktes wieder zu entziehen. Wir haben noch kein flächendeckendes Muster, wir müssen bei den Inseln des besseren Lebens nach Mitteln suchen, ob wir sie sich zu einer Landmasse verbinden können, dort nach Anknüpfungen suchen, z.B. bei den Energiewerken Schönau, zunehmend in der Erkenntnis, dass wir die gesellschaftliche Veränderung zu erreichen suchen.
Diskussion:
Meine Fragen und Hinweise:
- Rainer Mausfeld zeigte die Systematik des Steuerns der Mehrheiten durch die reichen Eliten, die damit einen Zunehmenden Anteil am gesellschaftlichen Reichtum erreichten, aber auch Gesetze dabei brechen. (http://helmutkaess.de/Wordpress/?p=2194 ) Das sieht er auch so.
- Es gibt ja wachsender Reichtum, eine Reichensteuer (5% bei Vermögen über einer Million), würde viel bringen. Da stimmt er zu…
- die Linke ist eine Alternative… Da stimmt er zu, aber sie ist sehr zerstritten…
welche Verknüpfung der Medien? Das läuft über indirekte Mechanismen, der einzelne Journalist bemerkt den Druck eher nicht. Es läuft auf ideologische Gleichrichtung hinaus, Du darfst schreiben, was ich Dir sage. Sie glauben allen Ernstes, sie könnten objektiv sein, ihre Ideologie bemerken sie gar nicht, dabei sind Objektivitätsansprüche Humbug, man muss den eigenen Standpunkt benennen. Manche Kollegen zeigen bei seinen kritischen Artikeln ein höhnisches Grinsen.
Friederike Speitling fragte, wieso ist neuerdings die Bildzeitung die Zeitung der Regierung. Das kam von auch von Schröder, der sagte, Bild und Glotze seien für Wahlen ausschlaggebend.
Eine Methode, sich einzuführen, war der Anruf von Wulf bei der Bildzeitung. Das wäre an sich vertraulich gewesen, also spielte Bild über Bande, sie schob den Vertrauensbruch der Süddeutschen zu, die sich dazu missbrauchen ließ.
Zweiter Beitrag von mir: ich sehe Hoffnung auf eine Massenbewegung durch die Verbindung von drei Themen: Soziales, Frieden und Umwelt. Einen dramatischen Umweltaspekt hatte ich gestern bei einer Veranstaltung in Wolfenbüttel mit Hans-Josef Fell: er sieht die Gefahr, dass die Laufzeit der Atomkraftwerke wieder verlängert wird, da die Erneuerbaren so gebremst werden. Aus Klimagründen hält er 100€ EE bis 2030 für dringend nötig. Das sieht er auch so.
Er hofft auf RotRotGrün, 2017, sieht aber die Chancen sehr kritisch.
Er sieht eine rechte Gefahr, nicht in einer Parallele zu 1933, aber dadurch, dass die rechten Rezepte nicht wirken werden, sondern alles nur schlimmer machen. Der „sanfte Herr Meuthen bei der AfD bricht ständig Tabus, und das ist gefährlich.
Wir brauchen eine streitbare Demokratie, aber nicht durch gegenseitiges Anschreien, sondern durch kraftvolles Argumentieren. Wir müssen kommunal, von unten her unsere Demokratie erneuern. Er will sich seinen Optimismus nicht nehmen lassen, der Optimismus ist nötig, wenn man gewinnen will. Haupthemen sind Frieden und Umwelt.
Man muss dialektisch vorgehen, das Glas lieber als halbvoll denn als halbleer ansehen.
Um Hegemonie muss immer gestritten werden, zwischen allen Parteien und es muss nicht von der Einstellung ausgegangen werden, „wir sind die Guten.“ Es gibt viele Wenns, er hofft auf RotRotGrün. Die Leit-Medien dürfen nicht mehr im privaten Besitz sein, wo 50% Deines Gehalts von den Anzeigenkunden abhängt. Das hat in den Köpfen schon so vielverändert. Es gibt aber alternative Zeitungen, es gibt Internetportale, es gibt noch eine halbwegs unabhängige Frankfurter Rundschau (wobei sie dem FAZ gehört, aber aus verkaufstechnischnischen Gründen darf das Redaktionsteam „links“ sein).
Die Einladung zum Vortrag von Stefan Hebel: Wohin entwickelt sich Deutschland?
Die Spaltung unserer Gesellschaft in weltoffene Demokraten und autoritäre Nationalisten ist keineswegs nur ideologischer Natur. Sie entwickelt sich aus sozialenBrüchen, z.B. zwischen Profiteuren und Verlierern der ökonomischen Globalisierung. Angst und Wut breiten sich aus, das Internet liefert dafür ungeahnteKommunikationsmöglichkeiten. Der Großen Koalition ist der Vorwurf zu machen, dass sie dem nichts entgegensetzt. Den Verlierern und von Verlustängsten Geplagten bietet sie keine Perspektive, ja nicht einmal eine Debatte, wie eine Alternative aussehen könnte. Die neoliberale Doktrin gilt als „alternativlos“. Doch gibt es zahlreiche Gruppierungen und Initiativen, welche unterschiedliche Alternativen diskutieren. Von ihnen wird im Vortrag die Rede sein. Stephan Hebel ist langjähriger Leitartikler der Frankfurter Rundschau und Publizist. Er diskutiert regelmäßig im Presseclub der ARD und ist ständiger Juror für das Unwort des Jahres.
Donnerstag, 18. August 2016 • 19 Uhr
Volkshochschule Haus Alte Waage 15 • Dachgeschoss Speicher
Grüße
Hubert Schipmann
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