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Betreff: | junge Welt vom 09.04.2022 |
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Datum: | Fri, 08 Apr 2022 19:30:29 +0200 |
Von: | redaktion@jungewelt.de |
An: | helmut_kaess@web.de |
Hansgeorg Hermann
Selenskij on Tour
»Tag der Schande«
Die Parteien der NATO-Anhänger hätten »den Nazis des Asow-Bataillons applaudiert…
Zorn im griechischen Parlament: Ukrainischer Präsident lässt in Videoübertragung Kämpfer von Faschistenbataillon »Asow« sprechen
Wut in Griechenland: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij ließ am Donnerstag in einer Videoübertragung im Athener Parlament zur offensichtlichen Überraschung der Abgeordneten zwei faschistische Kämpfer des berüchtigten »Asow«-Bataillons zu Wort kommen. Selenskij war einer Einladung des rechten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis gefolgt, der sich vom Videoauftritt des Ukrainers einen »historischen Moment« für das Land versprochen hatte. Selenskijs offenbar geplanter »Fehltritt«, wie Medien am Freitag übereinstimmend berichteten, sei in allen Fraktionen mit Empörung aufgenommen worden. Die linke Tageszeitung Efimerida ton Syntakton (Efsyn) schrieb: »Der heutige Tag ist ein Tag der Schande für das Parlament.«
Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und das linke Bündnis Syriza des früheren Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sowie MERA 25, die Fraktion des früheren Finanzministers Giannis Varoufakis, hatten ihre Abgeordneten erst gar nicht in die Veranstaltung im Parlament geschickt. Die von der Regierung im Vorfeld der Videoübertragung kritisierte Haltung des linken politischen Lagers bewies sich für KKE-Sekretär Dimitris Koutsoumbas im nachhinein als »absolut gerechtfertigt«. Die Parteien der NATO-Anhänger hätten »den Nazis des Asow-Bataillons applaudiert, denn das ist es, was die NATO-Richtlinien verlangen«, sagte Koutsoumbas. Harsche Kritik kam auch aus der rechtskonservativen, bürgerlichen Nea Dimokratia (ND), der Partei des Premiers Mitsotakis. Dessen früherer Chef und Ministerpräsident Antonis Samaras und auch ND-Sprecher Giannis Oikonomou sprachen von einem »schweren Fehler« Selenskijs.
Tsipras und die Syriza-Parteisekretärin Olga Gerovassili verdächtigten Mitsotakis am Donnerstag, von Selenskijs Plan, die Faschisten der »Asow«-Truppe per Video in die »Bouli« zu schleusen, unterrichtet gewesen zu sein. Ein Vorwurf, der sich nicht nur auf die Tatsache gründet, dass die ND seit dem Verbot der Partei Chrysi Avgi weite Teile des faschistischen Lagers absorbierte. Mitsotakis selbst integrierte in seine Regierung mit den Ministern Adonis Georgiadis und Makis Voridis von Anfang an zwei ehemalige Führer faschistischer Bewegungen. Die rechte bürgerliche Tageszeitung Kathemerini kommentierte, Selenskij und sein Generalstab hätten »gewusst«, dass sie mit ihrer Aktion »im griechischen Parlament eine rote Linie überschreiten«. Parlamentssprecher Konstantinos Tasoulas, der Selenkijs Redebeitrag mit einem »Es lebe die Ukraine, es lebe die Freiheit« gewürdigt hatte, stand am Donnerstag ebenfalls unter dem Verdacht, von Selenskijs »Foul«, wie Efsyn schrieb, gewusst zu haben.
Der »Fehler« des ukrainischen Präsidenten in der Videoshow in Athen blieb offenbar nicht der einzige an diesem »Tag der historischen Schande«, wie Tsipras den virtuellen Besuch Selenkijs nannte. Im Anschluss an die Videoschaltung ins griechische Parlament war der in Berlin und Paris seit Wochen als »Held« gefeierte »Verteidiger der Freiheit« per Video auch nach Nikosia ins zyprische Repräsentantenhaus geschaltet worden. Dort, berichtete Kathemerini am Freitag, habe Selenskij offenbar eine zweite »rote Linie« überschritten, möglicherweise in Unkenntnis der jüngeren zypriotischen Geschichte. Der Vergleich der »russischen Invasion« in der Ukraine mit dem »türkischen Eingriff im Norden Zyperns« habe seinen Vortrag »getrübt«. Die Türkei hatte 1974 in Zypern interveniert, nachdem die damalige Athener Militärdiktatur versucht hatte, die damals von türkisch- und griechischstämmigen Einwohnern gleichberechtigt besiedelte, ungeteilte Insel mit dem Festland zu vereinen.
Am Freitag ließ Mitsotakis seinen Sprecher Oikonomou immerhin einräumen, die Einbindung der »Asow«-Kämpfer in die Videoschaltung sei »unkorrekt und unangemessen« gewesen. Tsipras’ früherer Außenminister Nikos Kotzias, für den Mitsotakis’ Kenntnis der Pläne des ukrainischen Staatschefs außer Frage steht, kommentierte: »Die griechische Regierung hat, indem sie den Nazis Raum gab, den Kampf des ukrainischen Volkes unterminiert.«