Interview Angela Merkel https://wp.me/paI27O-4wM
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… Oder schauen wir auf meine Politik in Bezug auf Russland und die Ukraine. Ich komme zu dem Ergebnis, dass ich meine damaligen Entscheidungen in einer auch heute für mich nachvollziehbaren Weise getroffen habe. Es war der Versuch, genau einen solchen Krieg zu verhindern. (?? Es war der versuch, die Ukraine gewinnen zu lassen…, katastrophal schief gegangen) Dass das nicht gelungen ist, heißt noch nicht, dass die Versuche deshalb falsch waren.
ZEIT: Man kann aber doch plausibel finden, wie man in früheren Umständen gehandelt hat, und es angesichts der Ergebnisse trotzdem heute für falsch halten.
https://www.zeit.de/2022/51/angela–merkel–russland–fluechtlingskrise–bundeskanzler/komplettansicht
+ Privat…
Merkel: Das setzt aber voraus, auch zu sagen, was genau die Alternativen damals waren. Die 2008 diskutierte Einleitung eines Nato–Beitritts der Ukraine und Georgiens hielt ich für falsch. Weder brachten die Länder die nötigen Voraussetzungen dafür mit, noch war zu Ende gedacht, welche Folgen ein solcher Beschluss gehabt hätte, sowohl mit Blick auf Russlands Handeln gegen Georgien und die Ukraine als auch auf die Nato und ihre
Beistandsregeln. Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. (wofür? für die Aufrüstung??)
Anm. d. Red.: Unter dem Minsker Abkommen versteht man eine Reihe von Vereinbarungen für die selbst ernannten Republiken Donezk und Luhansk, die sich unter russischem Einfluss von der Ukraine losgesagt hatten. Ziel war, über einen Waffenstillstand Zeit zu gewinnen, um später zu einem Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu kommen. (Seitdem hat die Ukraine die Leute in Donetz und Lugank bombardiert!)
Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie man am Kampf um Debalzewe (Eisenbahnerstadt im Donbass, Oblast Donezk, d. Red.) Anfang 2015 gesehen hat, hätte Putin sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle sehr, dass die Nato–Staaten damals so viel hätten tun können wie heute, um der Ukraine zu helfen.
ZEIT: Beim ersten öffentlichen Auftritt nach dem Ende Ihrer Kanzlerschaft haben Sie erklärt, Sie hätten schon
2007 erkannt, wie Putin über Europa denkt, und dass die einzige Sprache, die er versteht, Härte sei. Wenn diese
Erkenntnis so früh da war, warum haben Sie eine Energiepolitik betrieben, die uns von Russland so abhängig
gemacht hat?
Merkel: Es war uns allen klar, dass das ein eingefrorener Konflikt war, dass das Problem nicht gelöst war, aber
genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit gegeben. Natürlich kann man jetzt die Frage stellen: Warum hat man
in einer solchen Situation noch dem Bau von Nord Stream 2 zugestimmt?
„Wir hätten schneller auf die Aggressivität Russlands reagieren müssen“
ZEIT: Ja, warum? Zumal es schon damals sehr heftige Kritik am Bau der Pipeline gab, zum Beispiel von Polen
und den USA.
Merkel: Ja, man konnte da zu einer unterschiedlichen Meinung kommen. Worum ging es? Zum einen legte die
Ukraine sehr viel Wert darauf, auch weiter Transitland für russisches Gas zu bleiben. Sie wollte Gas durch ihr
Gebiet und nicht durch die Ostsee leiten. Heute wird ja manchmal so getan, als ob jedes russische Gas–Molekül
des Teufels war. So war das nicht, das Gas war umkämpft. Zum anderen war es auch nicht so, dass die
Bundesregierung die Genehmigung von Nord Stream 2 beantragt hatte, das haben die Firmen getan. Für die
Bundesregierung und für mich ging es also im Ergebnis darum, zu entscheiden, ob wir als politischen Akt ein
neues Gesetz machen, um die Genehmigung von Nord Stream 2 ausdrücklich zu versagen.
…..
ZEIT: Stellen Sie sich die Frage, ob die Jahre relativer Ruhe auch Jahre der Versäumnisse waren und Sie nicht nur Krisenmanagerin, sondern zum Teil Verursacherin von Krisen?
Merkel: Ich wäre kein politischer Mensch, wenn ich mich nicht damit beschäftigen würde. Nehmen wir den Klimaschutz, bei dem Deutschland im internationalen Vergleich sehr viel getan hat. Bezogen auf das Thema selbst räume ich aber ein: Gemessen an dem, was der Internationale Klimabericht des IPCC heute sagt, ist nicht genügend passiert. Oder schauen wir auf meine Politik in Bezug auf Russland und die Ukraine. Ich komme zu
dem Ergebnis, dass ich meine damaligen Entscheidungen in einer auch heute für mich nachvollziehbaren Weise getroffen habe. Es war der Versuch, genau einen solchen Krieg zu verhindern. Dass das nicht gelungen ist, heißt noch nicht, dass die Versuche deshalb falsch waren.
ZEIT: Man kann aber doch plausibel finden, wie man in früheren Umständen gehandelt hat, und es angesichts der Ergebnisse trotzdem heute für falsch halten.
Merkel: Das setzt aber voraus, auch zu sagen, was genau die Alternativen damals waren. Die 2008 diskutierte Einleitung eines Nato–Beitritts der Ukraine und Georgiens hielt ich für falsch. Weder brachten die Länder die nötigen Voraussetzungen dafür mit, noch war zu Ende gedacht, welche Folgen ein solcher Beschluss gehabt hätte, sowohl mit Blick auf Russlands Handeln gegen Georgien und die Ukraine als auch auf die Nato und ihre
Beistandsregeln. Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben.
Anm. d. Red.: Unter dem Minsker Abkommen versteht man eine Reihe von Vereinbarungen für die selbst ernannten Republiken Donezk und Luhansk, die sich unter russischem Einfluss von der Ukraine losgesagt hatten. Ziel war, über einen Waffenstillstand Zeit zu gewinnen, um später zu einem Frieden zwischen Russland
und der Ukraine zu kommen.
Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie man am Kampf um Debalzewe (Eisenbahnerstadt im Donbass, Oblast Donezk, d. Red.) Anfang 2015 gesehen hat, hätte Putin sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle
sehr, dass die Nato–Staaten damals so viel hätten tun können wie heute, um der Ukraine zu helfen.
ZEIT: Beim ersten öffentlichen Auftritt nach dem Ende Ihrer Kanzlerschaft haben Sie erklärt, Sie hätten schon 2007 erkannt, wie Putin über Europa denkt, und dass die einzige Sprache, die er versteht, Härte sei. Wenn diese Erkenntnis so früh da war, warum haben Sie eine Energiepolitik betrieben, die uns von Russland so abhängig gemacht hat?
Merkel: Es war uns allen klar, dass das ein eingefrorener Konflikt war, dass das Problem nicht gelöst war, aber genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit gegeben. (um der Ukraine zu helfen: für mich ein Irrsinn!) Natürlich kann man jetzt die Frage stellen: Warum hat man in einer solchen Situation noch dem Bau von Nord Stream 2 zugestimmt? „Wir hätten schneller auf die Aggressivität Russlands reagieren müssen“
ZEIT: Ja, warum? Zumal es schon damals sehr heftige Kritik am Bau der Pipeline gab, zum Beispiel von Polen und den USA.
Merkel: Ja, man konnte da zu einer unterschiedlichen Meinung kommen. Worum ging es? Zum einen legte die Ukraine sehr viel Wert darauf, auch weiter Transitland für russisches Gas zu bleiben. Sie wollte Gas durch ihr Gebiet und nicht durch die Ostsee leiten. Heute wird ja manchmal so getan, als ob jedes russische Gas–Molekül des Teufels war. So war das nicht, das Gas war umkämpft. Zum anderen war es auch nicht so, dass die Bundesregierung die Genehmigung von Nord Stream 2 beantragt hatte, das haben die Firmen getan. Für die Bundesregierung und für mich ging es also im Ergebnis darum, zu entscheiden, ob wir als politischen Akt ein
neues Gesetz machen, um die Genehmigung von Nord Stream 2 ausdrücklich zu versagen.
ZEIT: Was hat Sie daran gehindert?
Merkel: Zum einen hätte eine solche Versagung in Kombination mit dem Minsker Abkommen aus meiner Sicht das Klima mit Russland gefährlich verschlechtert. Zum anderen ist die energiepolitische Abhängigkeit entstanden, weil es weniger Gas aus den Niederlanden, aus Großbritannien und begrenzte Fördermengen in Norwegen gab.
ZEIT: Und es gab den vorgezogenen Ausstieg aus der Kernenergie. Auch von Ihnen initiiert.
Merkel: Richtig, und dazu parteiübergreifend die Entscheidung, auch in Deutschland weniger Gas zu fördern.
Man hätte sich entscheiden müssen, teureres LNG aus Katar oder Saudi–Arabien zu kaufen, die USA standen erst später als Exportnation zur Verfügung. Das hätte unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich verschlechtert.
Heute wird unter dem Druck des Krieges so gehandelt, was ich unterstütze, aber damals wäre das eine viel massivere politische Entscheidung gewesen.
ZEIT: Hätten Sie diese Entscheidung dennoch treffen sollen?
Merkel: Nein, zumal es dafür überhaupt keine Akzeptanz gegeben hätte. Wenn Sie mich um Selbstkritik bitten,
gebe ich Ihnen ein anderes Beispiel.
ZEIT: Die ganze Welt wartet auf ein Wort der Selbstkritik!
Merkel: Das mag sein, in vielen Punkten entspricht die Haltung der Kritiker aber nicht meiner Meinung. Sich dem einfach zu beugen, nur weil es erwartet wird, hielte ich für wohlfeil. Ich habe mir so viele Gedanken damals gemacht! Es wäre doch geradezu ein Armutszeugnis, wenn ich jetzt, nur um meine Ruhe zu haben und
ohne wirklich so zu denken, einfach sagen würde: Ach, stimmt, jetzt fällt’s mir auch auf, das war falsch. Aber ich sage Ihnen einen Punkt, der mich beschäftigt. Er hat damit zu tun, dass der Kalte Krieg nie wirklich zu Ende war, weil Russland im Grunde nicht befriedet war. Als Putin 2014 die Krim überfiel, wurde er zwar aus G8 ausgeschlossen. Auch hat die Nato Truppen im Baltikum stationiert, um zu zeigen, wir sind als Nato zur Verteidigung bereit. Außerdem haben wir im Bündnis beschlossen, zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. CDU und CSU waren die Einzigen, die das überhaupt noch in ihrem Regierungsprogramm hatten. Aber auch wir hätten schneller auf die Aggressivität Russlands reagieren
müssen. Deutschland hat das Zwei–Prozent–Ziel trotz Erhöhung nicht erreicht. Und auch ich habe nicht jeden Tag eine flammende Rede dafür gehalten.
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