Konferenz
50 Jahre israelische Besatzung
–Unsere Verantwortung für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts–
Ökohaus „Ka eins“, Kasseler Str. 1a, Frankfurt/Main
Die Vortragenden:
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Moshe Zuckermann (Historiker, Universität Tel Aviv)
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George Rashmawi (Palästinensiche Gemeinde Deutschland)
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Majida Al Massri (ehem. Ministerin PA, Nablus)
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Prof. Norman Paech (Völkerrechtler, Hamburg)
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Iris Hefets (Psychoanalytikerin, Vorsitzende Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden, Berlin)
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Jamal Juma’a (Soziologe, Sprecher Stop the Wall, Ramallah)
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Prof. Ilan Pappe (Historiker, Universität Exeter)
Veranstalter: Deutscher Koordinationskreis Palästina Israetl (KoPI)
Kurzdarstellung der für mich wesentlichsten Inhalte, so wie ich sie verstanden habe:
- BDS= Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen –
George Rashmawi (Palästinensiche Gemeinde Deutschland) : Die Israelis haben viele palästinensische Flüchtlinge produziert: 1948 800.000, 1967 350.000, davon 175.000, die zum zweiten Mal vertrieben wurden. Im Juni 1967, in diesen Tagen vor 50 Jahren, wurde das ganze Palästina besetzt. Die Herrschaft über diese 20% des einstigen Palästina wird immer enger. Die „Appartheitsmauer“, geplant 750 km lang und 9 Meter hoch, lässt die Mauer zu Ostdeutschland klein erscheinen. Die Wirtschaft wurde durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit und z.B. durch Rodungen der Olivenbäume stranguliert. 40% der Palästinenser der „Westbank“ und 65% des Gazastreifens leben unter der Armutsgrenze. Die Palästinenser sehen dieser ständigen Verschlechterung nicht tatenlos zu. Ständig sind Demonstrationen, wobei ständig auch Demonstranten getötet werden. Wir wollen aber mit den Israelis friedlich zusammenleben. „Freiheit für Palästina“!
Moshe Zuckermann (Historiker, Universität Tel Aviv) : Die geschichtliche Begründung des laufenden Kolonisierungsprojekts ist so, als ob (was auch versucht wurde) der Staat Deutschland auf die Varusschlacht von Herrmann dem Cherusker zurückgeführt würde. Die Umstände der Kolonisierung führen automatisch zu einer Barbarisierung der „Kolonisten“. Arafat sei übrigens ermordet worden. Wenn das Rest-Palästina in Israel einverleibt würde, würde es automatisch ein „offizieller“ Appartheitsstaat. Israel habe nie den Frieden gewollt. Der Zionismus ist als Reaktion auf den europäischen Antisemitismus entstanden. Er braucht ihn lebensnotwendig, er braucht ein Feindbild, um überleben zu können. (Sodass sogar Juden, die Kinder von Holocaustüberlebenden sind, wenn sie wie er Kritisches sagen, zu Antisemiten erklärt werden.)
Man müsse drei Dinge auseinander halten, die bei weitem nicht identisch sind: Israelis, Juden und Zionisten. BDS sei völlig legal. Die Einstaatenlösung ist zur Zeit völlig illusorisch, dies müsse über die Zweitstaatenlösung vorbereitet werden. Ideal erschiene ihm eine „Kein-Staatenlösung“.
In der Diskussion wies er darauf hin, dass er Atheist sei (Wie auch ich…) Israel habe nichts wirklich gegen die Islamisten, Ben Gurion sagte, „Wir brauchen die Islamisten“.
Am Samstag morgen wurde ein Grußwort der palästinensischen Botschafterin Khouloud Daibes gesprochen: Friede sei im Interesse von allen. (Das ist aus Menschheitssicht richtig, aus einer gruppenbezogenen Sicht aber möglicherweise nicht) Sie beklagte die Proklamation eines „wiedervereinigten (jüdischen) Jerusalem“. Sie hat die Vision eines Friedens mit Ostjerusalem als Hauptstadt der Palästinenser.
Dann sprach Majida Al Massri (ehem. Ministerin PA, Nablus) : Trump sei auf der Seite Netanyahus, er erkenne ganz Palästina als Israel an und sei daher für ein Politik der kolonialen Expansion. Sie verlangte ein Ende der Besatzung.
Jamal Juma’a (Soziologe, Sprecher Stop the Wall, Ramallah): Israels Regierung habe das weitere Vorgehen geplant. Es gebe einen Masterplan „Israel 2020“ und eine „Vision“ 2025 zum Beispiel mit dem „greater Jewish Jerusalem“. Dabei wird durch Zerstückelung und Zufügung und Abtrennung von Gebieten eine Judaisierung von Jerusalem vorangetrieben. Und Jerusalem wird sich danach quer durch die gesamte Westbank erstrecken und den Norden von dem Süden trennen. Dazu kommt die Zerstückelung durch die Mauer und die Appartheitsstraßen, auf denen in der Westbank, also dem Reststaatsgebiet der Palästinenser, nur die Israelis und nicht die Palästinenser fahren dürfen. Dagegen gibt es die Demonstrationen, die „popular restistance“, wobei zum Beispiel bei der Intifada 2000 300 Palästinenser getötet wurden. Von außen kommt Unterstützung vor allem durch den BDS und zumindest moralisch durch die UN. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass der Vergleich mit der Kolonisation der Indigenen in den USA, Afrika usw geeignet ist, nicht der Vergleich mit den Nazis, die durch die „Rassenschande“ und das fabrikmäßige Töten sich außerhalb jedes Vergleiches gestellt haben.
Iris Hefets (Psychoanalytikerin, Vorsitzende Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden, Berlin) : Es gibt das Phänomen des „tiefen Staates“ nicht nur in Israel (und nicht nur in der Türkei), sondern auch in Deutschland, wie man zum Beispiel beim NSU Skandal sehen konnte. Sie war beim Militär, und ist vor 15 Jahren nach Deutschland, Berlin, gekommen. Sie beschäftigte sich mit den schwierigen Beziehungen von Opfern und Tätern auch am Beispiel von Deutschland, Israel, Palästina. Die Deutschen sollten ihre megalomane Idee aufgeben, die Juden zu beschützen, um etwas wieder gut zu machen, was nicht wieder gut zu machen ist. Sie möchte unsere Aufmerksamkeit auf die tiefe Zerissenheit der Israelis lenken. Etwa 40% der Juden sind aus Europa und 40% Orientalen. Die „Ashkinawis“ (?) halten sich für besser und behandeln die „Miscrachi“ als zweitklassig, siedelten sie an gefährlicheren Plätzen an, gaben ihnen schlechtere Schulbildung und spritzen ihnen sogar ungewünschte subkutane Verhütungsmittel, um ihre Vermehrung zu hemmen. Aber sie brauchten sie, um ihren Staat gegen die Palästinenser durchzusetzen. Nach 1967 wurde die Position der Misrachi einerseits besser, allerdings auf Kosten der Palästinenser. Die Ashkinawi hatten sozusagen eine Bank ausgeraubt und machten die Misrachi zu ihren Komplizen, auf die Beute aufzupassen. Sie dienten als Siedler in den besetzten Gebieten und sie übernahmen die Arbeiten der Palästinenser für Israel. Aber der Hass ist groß, und wenn das Palästinenserproblem gelöst ist, kann es zu Explosion kommen.
Prof. Norman Paech (Völkerrechtler, Hamburg)
Bei den Versuchen, diese Veranstaltung zu verhindern, geht es, wie bei den vielen anderen zum guten Teil erfolgreichen Verhinderungsversuchen darum, dass überhaupt nicht diskutiert werden darf. Um je kriminellere Themen es geht, umso brutaler sind die Verhinderungsversuche.
Zu Palästina: In den besetzten Gebieten herrscht Krieg. Zwar „low intensity warfare“, aber aktiver Krieg (zum Beispiel mit gezielten Tötungen). In Deutschland gibt es die Doktrin der „gesicherten Existenz“ Israels. (Dafür werden auch atomwaffenfähige U-Boote geliefert) Israel will aber keinen Frieden, sondern will ganz Palästina. (Viele wollen auch mehr, ein „Groß-Israel) Ben Gurion sagte schon 1937, Ziel sei die vollständige Kolonisierung Palästinas. Reuven Richter, der Staatspräsident, sprach 2015 in einem Interview, „unser Recht auf unser Land“. Daher eignen sie sich kontinuierlich Land an, das Völkerrecht spielt keine Rolle. Ein Minister (Namen habe ich mir nicht gemerkt) sagte, in gewissen Fällen könnte Israel Maßnahmen ergreifen wie in Hiroshima und Nagasaki, das heisst, Atomwaffen anwenden… Palästina ist ziemlich alleine, nur das Völkerrecht ist auf seiner Seite. Die UN ist die einzige Kampfplattform. Schon die Genfer Konventionen verbieten die Besiedlung besetzter Gebiete mit eigener Bevölkerung und verbieten Deportationen aus dem besetzten Gebiet.
Laut einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (?) von 2004 ist die Mauer, da auf palästinensischem Gebiet errichtet wird, komplett rechtswidrig. Im Gazakrieg 2014 wird von „Selbstverteidigung“ gesprochen, dabei wird der Täter zum Opfer erklärt. Die UN-Charta enthält ein Verteidigungsrecht, das dem Besetzten gegenüber dem Besatzer zusteht. Dabei darf er Soldaten töten, nur Zivilisten nicht. (Die Raketenangriffe waren ohne wirklichen militärischen Nutzen, fast nur psychologisch zu werten.)
Ein israelischer Politiker sagte, ein Palästinenser hätte drei Möglichkeiten: 1. sich den beliebigen Auflagen zu unterwerfen 2. auswandern 3. Widerstand. Und mit Widerstand wüssten sie umzugehen…
Jetzt, wo Palästina dem internationalen Gerichtshof angehört, kann es Klage erheben. Es hat dies bisher nicht getan, offensichtlich, da Israel der Palästinensischen Regierung sofort ihre Gehälter sperren würde. (Man müsste überlegen, wie man damit umgehen kann)
Im Russell Tribual von 2012 wurde alles aufgeführt, was zu dazu gesagt werden kann, da kann man sich informieren. 200 Juristen hätten auch ein entsprechendes Papier verfasst.
Seit 2005 gibt es den BDS (Boykott, Desinvestition, Sanctions), eine friedliche Möglichkeit zu protestieren.
Diskussion: die „grüne Linie“ sei nicht die Grenze, die in dem Vorschlag der UN genannt worden sei. Aber sie sei eine Linie, die die PLO anerkannt habe. Klagen gegen seine Bezeichnung als „Antisemiten“ seien nutzlos, da die Gerichte dies als „Meinungsäußerung“ ansehen würden. Bei Juden sei das was anderes, Herr Melzer hat als Jude dagegen geklagt und erst mal gewonnen…
Er hat übrigens vor, im Oktober ein gemeinsames Buch mit Abi Melzer herauszubringen. (Es wird dann sicher auf seiner Homepage http://www.norman-paech.de/ stehen).
Prof. Ilan Pappe (Historiker, Universität Exeter) : Der Zionismus sei ein Siedler-Kolonisationsprojekt (Zionismus is a settler colonisation-project) Als 1948 England erklärte, es werde Palästina verlassen, wurde „the logic of annihilation“ angewandt. Zuerst wurden drei palästinensische Dörfer zerstört und die Einwohner vertrieben und die internationale Reaktion geprüft. Als wenig passierte, wurden gößere Teile und im folgenden Krieg 80% der palästinensischen Bevölkerung vertrieben. Die Westbank wurde den Jordaniern zugespielt, sie bekamen die Region ohne einen Schuss, und das kleine Gaza wurde auch übrig gelassen, da sie Räume brauchten, in die die Bevölkerung fliehen konnte. Ben Gurion war aus diesem Grunde gegen die Besetzung des Restes von Palästina. 1963 verließ er die politische Bühne und 1967 wurde dann der Rest besetzt. Die „strategischen“ Denker verloren gegen die „messianische“ Fraktion. Moshe Dayan wurde gefragt, wie lange das gut gehen würde und er sagte lachend, „fünfzig Jahre“…
(Und damit ist der Frieden unmöglich.) Es ist eine Kolonisation und nicht nur eine Besatzung. Wie können wir das rückgängig machen?
Diskussion: Wie sieht er Uri Avnery? Er sei ein Idealist, aber er sieht die Dinge anders…
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Beim Abschlusspanel fassten die sieben Referenten die ihnen wichtigsten Dinge in je drei Minuten zusammen:
Moshe Zuckermann: Was ist zu tun? Es geht um die Befreiung des Menschen, dies muss in Palästina als Zwischenstadium über eine Zweistaatenlösung geschehen.
George Rashmawi: die Kräfteverhältnisse sind änderbar. Die Änderung zu demokratischen Verhältnissen sind insbesondere durch die BDS Bewegung und über eine Zweistaatenlösung erreichbar.
Majida Al Massri : Alle zusammen können wir eine Lösung erreichen. Insbesondere die Palästinenser müssen lernen, mit einer Stimme zu sprechen. Treten Sie bitte dem BDS bei!
Iris Hefets Änderungen erfolgen insbesondere durch Leiden. Der jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden wurde von der GBS Bank nach einer Klage eines anderen Juden das Konto gekündigt. Freundliche Gespräche halfen nicht. Daraufhin wurden Medien und Organisationen eingeschaltet. Schließlich bot ihnen die Bank an, bei Verzicht auf Teilnahmen an der BDS ihr Konto wieder zu eröffnen. Das lehnten sie ab. Daraufhin wurde die Forderung verzichtet.
Norman Paech: Er war in seiner Jugend zur Arbeit in einem Kibbuz, er spendete für die Armee Israels. Er hat er seine Meinung sehr geändert. Die BDS Kampagne ist legal, legitim und erfolgreich.
Jamal Juma’a : es geht um Dekolonisierung, zuerst der Mentalität der Palästinensischen Autonomiebehörde, dann der Einstellung der Israelis, und es geht darum, die Belange der Jugend in den Mittelpunkt zu stellen.
Ilan Pappe: Was ist der Grund, dass den Palästinensern Häuser zerstört werden, dass sie kein Land kaufen dürfen, dass sie ohne Verbrechen eingesperrt werden? Dies ist auf Grund einer Ideologie, auf Grund einer Überhöhung des Judentums, wie es auch Überhöhungen des Christentums und des Islams und anderer Religionen gibt. Wir müssen nicht nur die Dekolonisierung Palästinas verlangen, sondern auch eine „Dezionisierung“!
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