organisiert vom „International Peace Bureau“ (IPB, gegründet 1891) mit über 1000 Teilnehmern vom 29.9. bis 3.10.16.
Dazu die Pressemeldung: https://www.ipb2016.berlin/ipb-world-congress-2016-disarm-for-a-climate-of-peace-pressemitteilung-weltkongress-vereinbart-mehr-aktionen-weltweit/
Zur Eröffnung betonte Ingeborg Breines aus Norwegen, eine der beiden Co-Präsidenten des Internationalen Friedensbüros, angesichts der gigantischen weltweiten Rüstungsausgaben von inzwischen 1,7 Billionen €, dass wir vor der Entscheidung „Warfare or Welfare“ – Krieg oder Wohlergehen, stünden. Ihr folgte Michael Möller, der Direktor des UN-Büros in Genf, der an das höchst aktuelle UN-Ziel, die Bekämpfung der Armut, erinnerte, für das die Zivilgesellschaft wirksam zusammenarbeiten müsse, um auch die erschreckend zunehmende Gewalt zu verringern.
Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman aus Jemen führte dann aus, die 15-25% der 1,7 Billionen €, die für Rüstung verschwendet werden, würden genügen, um die Armut in der Welt zu beseitigen, die Umwelt zu schützen und die vielen Aufgaben anzugehen, die die Menschheit gefährden. In Jemen sei ein korrupter Präsident mit gewaltfreien Demonstrationen, bei denen viele gestorben seien, verjagt worden. Er habe jetzt allerdings aus Rachsucht eine Gegenrevolution gemacht, die durch Saudi-Arabien und andere Diktaturen unterstützt worden sei.
Samir Amin, Direktor des Dritte-Welt-Forums aus Senegal, wies auf die Überrüstung speziell des Westens hin, der unter der Führung der USA Kriege in vielen Teilen der Welt führe. Die Nato müsse abgeschafft werden.
Die Grüße der Gewerkschaften überbrachte Frank Bsirske, Vorsitzender von Verdi. Er wies auf die vielen Friedenaktivitäten seiner Gewerkschaft hin z.B. gegen den Natodoppelbeschluss, gegen ein Aufstockung der Militärausgaben. Der Westen kämpfe um „unsere“ Rohstoffe, egal, wo sie sich befinden. In Afrika würden die Bauern mit billigen, hochsubventionierten Nahrungsmitteln aus dem Westen in die Pleite getrieben und ihr Land billig aufgekauft.
(Am Samstag Mittag machte ich einen Abstecher mit anderen zu der „Fünf vor zwölf“-Aktion von Ken Jebsen vor dem Kanzleramt, in der er und andere uns (gut über 1000) Teilnehmer aufriefen, aktiv für Frieden und ein gutes Leben zu streiten und in unserem Umfeld anzufangen. https://kenfm.de/kenfm-am-set-ken-jebsen-auf-der-kundgebung-es-reicht-am-01-10-2016-in-berlin-die-macher/
Beim Workshop ”Whistleblowing” äußerte ein Norweger seine Kritik an dem Nobelpreissystem. Er sei daher eine Art whistleblower. Nobel habe seinen Nobelpreis überwiegend als Friedenspreis verstanden. Er habe vor, alle Nobelpreise zu beurteilen und zu sagen, welche Personen nach seiner Meinung diese Auszeichnung nicht verdient hätten. Obama werde sicher darunter sein. Bertha von Suttner, eine herausragende Person, schrieb schon 1889 das Buch „Die Waffen nieder“ und bekam den ersten Friedensnobelpreis 1905. Dabei kam auch die Sprache auf Carnegie, den reichsten Mann seinerzeit, den „Bill Gates vor 100 Jahren“. Nach seiner Auffassung dürfe der Reiche aus moralischen Gründen nicht reich sterben. Daher gründete er eine Stiftung, die den Frieden propagieren sollte. Diese Stiftung hat ihren Auftrag aufgegeben.
Ich wies auf T. Colin Campbell hin, Autor des Buches “China Study”, einen führenden Ernährungsepidemiologen in den USA, der herausfand, dass tierisches Protein ungesund sei und 10 führende Todesursachen maßgeblich beeinflusse. Er konnte seine Stellung nur behalten und ausbauen, da er geschickt seine Forschungen so benannte, dass seine Auftraggeber seine Zielrichtung nicht verstanden. Wissenschaftlich sind seine Ergebnisse anerkannt, gesellschaftlich hat sich sein zehn Jahre altes Buch noch nicht durchgesetzt, da die mächtige Milch- und Fleischwirtschaft dagegen kräftig Lobbyismus betreibt. Ich selbst habe als Hausarzt erst jetzt davon erfahren.
Jakob von Uexküll mahnte in dem Workshop „How to reclaim our future“, es gebe kein Szenario, in dem eine Atombombe einsetzt werden könne. Es gebe nur den bestehenden „nuklearen Wahnsinn“. Wir müssten ebenso darüber wegkommen, wie wir die Sklaverei, die Benachteiligung der Frau, die biologischen und chemischen Bomben und die Antipersonenminen abgeschafft haben. Wir haben sie nicht vollständig abgeschafft, aber wir haben sie zumindest illegal gemacht. Wir bräuchten die einfache Botschaft, die schon 1955 im Manifest von Russell und Einstein gesagt wurde: Keine Kriege mehr!
Im Workshop „Earth Summit“ des MIT-Studenten der USA Christopher Dean wurde bekannt, dass die Todesstrafe im Wesentlichen immer abgenommen habe. Wir bräuchten für die großen Probleme unserer Zeit einen „Repair Summit“, einen Reparatur-Welt-Gipfel. Er will für diese sinnvolle Aufgabe das Militär einsetzen, das zurzeit völlig demoralisiert sei. Die Selbstmordraten in den USA seien höher als die Toten durch Kämpfe. Mit einem Einsatz für die Sauberkeit der Luft, des Landes und der Meere und für das Klima sei die Moral wieder herzustellen und das Militär sei dafür gut ausgerüstet. Eine Earth Army sollte die Welt reparieren. Die Veteranen in den USA würden zum Teil Ähnliches schon machen. Das Ganze könnte ich mir als eine UN-Organisation vorstellen, für die föderativ von allen Staaten die „Soldaten“ gestellt werden. Seine Homepage: http://ourearthonline.com/
Danach fand die Panel-Diskussion mit der neuen Friedens-Agenda des Internationalen Friedensbüros statt. Phyllis Bennis, Institut for Policy Studies, USA, wies darauf hin, dass in Syrien 11-13 Kriege gleichzeitig laufen. Es gehe in erster Linie darum, diese Kriege zu stoppen und auszutrocknen. Sie schlug vor, dass die Städte für Frieden (ähnlich den Bürgermeistern für Frieden) in diesen schwierigen Zeiten eigenständig Flüchtlinge aufnehmen.
Rainer Braun, der zweite Co-Präsident des IPB, sagte, es gehe um das Beenden der Kriege. Dafür sei der jüngst abgeschlossene Vertrag zwischen dem Kolumbianischen Staat und der Farc, der seinerzeit kämpfenden Opposition, ein gutes Beispiel. Soziales, Klimaschutz, Umweltschutz gehörten dazu.
Es folgte das Schlussplenum. Es startete mit einem Skypebeitrag des kranken Ernst Ulrich von Weizsäcker, des Co-Präsidenten des „Clubs of Rome“. Er sagte, wir müssten im Ressourcenverbrauch um den Faktor fünf (darüber hat er ein Buch veröffentlicht) effizienter werden. Der Kapitalismus und die Kriegsmaschine seien außer Kontrolle und müssten gebändigt werden. Philip Jennings aus der Schweiz forderte, am Ende einer Veranstaltung müsse es einen leidenschaftlicher Prediger geben und er sprach entsprechend: Die Gewerkschaften hätten viel für den Frieden getan und sie gäben niemals auf. Mit Lula in Brasilien, der zurzeit durch einen Coup zurückgeworfen ist, mit dem Friedensvertrag in Kolumbien, gegen die neoliberale ökologische Gewalt. Wir bräuchten einen wirklichen Sitz an den Runden Tischen der Entscheidung. Betty Reardon vom Internationalen Institut für Friedenerziehung fand kraftvolle Worte zum Abschluss: Es sei „a wonderful festival of Peace“ gewesen, vielfältig, nach vorne schauend, bei allen Gefahren doch überwiegend von der wieder zunehmenden Schlagkraft der Zivilgesellschaft geprägt. Sicherheit bedeute gutes Lebensgefühl, nicht militärische Schlagkraft.
Colin Archer, der „Chef“ der IPB, erinnerte zum Schluss, wir sollten anfangen, nicht abwarten. Der freundliche Umgang miteinander sei die Basis für die globale Solidarität.
Nach dem Schluss wurde noch ein Film gezeigt: „Beyond Revenge“ von Alvaro Otis und Luz Jalinen, https://www.youtube.com/watch?v=1y913Z4utqE , ein Film über die Rache, die in unsere Institutionen eingebaut ist und die wir überwinden müssen.
Helmut Käß, 4.10.16
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